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vorgeschlagenen Aenderungen entnommen waren. Es wiederholte zu-gleich seine hauptsächlichsten Bedingungen: Theilung der Suprematiezwischen ihm und Oesterreich auf dem Fuße vollständiger Gleichbe-rechtigung und eine Volksvertretung mit gesetzgebender Gewalt. Oester-reich und die anderen Staaten antworteten in identischen Noten. Zu-letzt, nach einer Reihe von wechselseitigen Demonstrationen, dereneine die andere an Heftigkeit übertraf, kamen die Diplomaten derverbündeten Staaten in Nürnberg zusammen, um über Präventiv-maßregeln gegen Preußen zu berathen, welches von easus betli ge-sprochen hatte.
Indem wir diese bedeutungsvolle Thatsache dem Leser wiedervorführen, muß es befremden, daß damals die öffentliche Meinungfür diese Vorgänge weder mehr Aufmerksamkeit noch mehr Besorgnißübrig hatte. Im ganzen Deutschland , sowohl am Sitze des Bundes-tags wie in Berlin und in Wien , sahen die Zeitungsleser über dieBerichte von den gegenseitigen Zumuthungen und Bedrohungen zwi-schen Oesterreich und Preußen, namentlich auch -über die geschäftigeWichtigthuerei der kleinstaatlichen Conventikel mit nicht mehr Theil-nahme und Aufregung hinweg, als handelte es sich um Reibungenzwischen Serbien und der Türkei . Diese Gleichgültigkeit gegenübervon Drohungen, deren ernsten Charakter wir jetzt würdigen können,erklärt sich durch den Skepticismus, mit welchem das deutsche Volkseit einem halben Jahrhundert das Geplänkel zwischen seinen Groß-mächten anzusehen gewohnt war. Jedesmal, wenn die Eine verlangte,nran solle gegen die Andere sich auf ihre Seite schlagen, war esselbstverständlich, daß man darüber die Achseln zuckte. „Eine Krähehackt der andern die Augen nicht aus", pflegte man zu sagen. Trotzaller gewechselten Derbheiten, dachte ganz Deutschland wie Oester-reich ; daß im entscheidenden Augenblick die Solidarität der freiheits -widrigen Bestrebungen am Ende doch zur Wiederaussöhnung führen