94
Meinungsverschiedenheit im Schooße einer und derselben Regierung,anderwärts ganz undenkbar, hat nichts was dem Herkommen des ber-liner Hofes zuwider liefe. Der preußische Staat ist vor Allem daspersönliche Werk Friedrich Wilhelms I. und seines Sohnes, des gro-ßen Friedrich. Das ganze System trägt noch heute das Geprägedieser beiden starken Persönlichkeiten. Der Eine wie der Anderewaren die einzigen und unumschränkten Herren des Reiches; sie kann-ten und übersahen allein die Gesammtheit der Geschäfte, wachtenselbst mit einer gewissen Eifersucht darüber, daß die Minister dieEinsicht in die Geschäfte nicht über ihr Departement hinaus aus-dehnten'). Nach dem Tode Friedrich's fand sich sogar die Finanz-verwaltung unter so verschiedene Behörden zersplittert, daß keinGesammtüberblick der Lage möglich war, und sich im Publikum dasungereimte Gerücht verbreitete, der König habe mit Absicht die Rech-nungsbücher zerstört, um seinem Nachfolger Verlegenheiten zu berei-ten. Sein Vater hatte nie gestatten wollen, daß die fremden Ge-sandten mit einem Minister verkehrten und der Sohn folgte diesemBeispiel. Nie vereinigten sich die Minister zu einer Berathung, nochtauschten sie ihre Meinungen aus; oft sahen sie während sehr langerZeiträume sogar den König nicht, mit welchem sie nur Schriften wech-selten, und das nur über Angelegenheiten von ganz untergeordneterBedeutung. Man erzählt von Friedrich Wilhelm III -, welcher 1840starb, daß er während einer Dauer von zehn Jahren seinen aufgeklärtenMinister, Herrn von Altenstein nicht ein einzigesmal empfing;unter seinem Nachfolger, dem vorigen Könige hörte man nicht selteneinen Minister sich darüber beklagen, daß er nicht zu seinem Fürstenvordringen könne, um ihm über irgend eine Angelegenheit Bericht zu
st Tmesten, der preußische Beamtenstaat.