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Die wirthschaftliche Krisis / von Wilhelm Oechelhaeuser
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waren, jene übertriebenen Forderungen zu gewähren, ohne selbstSchaden zu leiden. Zugleich stand ihnen, in dem nun erüffnetenKampfe, neben höherer Intelligenz, ein grösseres Kapital als denArbeitern zu Gebote, um abwarten zu können. In diesem Umstandliegt überhaupt die, für die Arbeitgeber beruhigende Unmöglichkeit,dass die Arbeiter die Arbeitseinstellungen jemals, wie ein Theil ihrerFührer predigt, zu einer positiven Organisation ausbilden können.Bei einem Strike angekommen, dessen Forderungen thatsächlich un-erfüllbar sind, weil die Arbeitgeber sie nicht auf ihre Abnehmer ab-zuwälzen im Stande sind, unterliegen die Arbeiter jedesmal undüberall. Ein Zeichen, dass Vielen davon (in Deutschland wenigstens,wo die Arheiter-Frauen den Strikes, die ihre Männer liederlichmachten, selten hold waren) das richtige Verständniss der Sachlagegekommen ist, liegt darin, dass selten oder nie eine Arbeiterkate-gorie zum zweiten Mal das Experiment anstellte, und dass sie sich,mit dem Eintreten schlechterer Zeiten und weichender Preise, unab-weisliche Lohnreductionen gefallen Hessen . Langsam lässt dennauch, seit Anfang dieses Jahres, die Faullenzerei und Verschwendungetwas nach und die Arbeit wird wieder, mit der hergestellten Au-torität der Leiter, besser ausgeführt. Immer aber ist auch heute invielen Gewerben Qualität und Quantität der Arbeit noch nicht wiederauf das frühere normale Niveau zurückgekehrt und schlechte Leiden-schaften sind an die Stelle der früheren Zufriedenheit mit ihremLoose und der Freude an der Arbeit getreten, eine der traurig-sten Folgen der verlaufenden Krisis. Im Uebrigen würde man demArbeiterstande Unrecht thun, wenn man neben jenen traurigen Er-scheinungen nicht auch der vielen ehrenhaften Ausnahmen gedenkenwollte, welche sich von jener Verderbniss frei hielten und denGrundsätzen des hochverdienten Arbeiterfreundes Schultze-Delitschtreu blieben, wonach nur Bildung, Arbeit und Sparsamkeit, und keineneue social-politische Doktrin, das Loos des Arbeiters dauernd, zubessern vermögen.

Die traurigsten Beispiele von der materiellen und moralischenSchädlichkeit der, durch die Krisis zu einer momentanen Macht ge-langten socialen Agitationen, weisen, nächst Berlin , die westphäli-schen Kohlendistricte auf. Berlin leidet noch heute schwer an denNachwehen, theils in den zu enormen, jede Rentabilität ausschliessen-den Kosten der zahllosen Neubauten, theils in der erschütterten Con-currenzfähigkeit seiner Industrien, z. B. des Möbelgewerbes, das früherdort so blühend war und jetzt die Superiorität billigerer und besserer