107
fürchten und wollen wir hoffen, dass die olympische Ruhe der letz-ten Thronrede nicht erschüttert werden möge. Im Uebrigen sinddie äusseren Verhältnisse, in der Aussicht auf ungestörte Fortdauerdes Friedens, nach wie vor dem Heilungsprozess günstig. Wie em-pfindlich aber solche äusseren politischen Störungen einwirken könn-ten, das lassen die tiefgehenden, bis weit in den Arbeitsmarkteindringenden Erschütterungen durchfühlen, welche vor einiger Zeitder vielbesprochene unvorsichtige Artikel eines offiziösen Berli-ner Blattes, über Trübung unsrer Beziehungen zu Frankreich , nachsich zog.
Nunmehr zur Besprechung der, während der Krise durchgeführ-ten wirtschaftlichen Reformen übergehend, tritt uns zuerst in demmit dem 1. Januar 1875 im Wesentlichen durchgeführten Ueber-gang zur reinen Goldwährung, ein erfreuliches Ereigniss ent-gegen. Dem Experiment einer Doppelwährung sind wir (vomUebergangs-Stadium abgesehen) glücklich ausgewichen, und habenzugleich Frankreich in die Lage versetzt, mit Aufhebung des Bank-noten-Zwangskursus, die Doppelwährung ebenfalls beseitigen zumüssen. Ein Fehler nur war es, von dem, ehe ein Decenniumvergeht, kein Mensch in Deutschland begreifen wird, wie er über-haupt begangen werden konnte, dass wir nämlich ein eigenes Münz-system gewählt, dass wir, in deutsch -patriotischem Uebergefühl (denneinen andern Erklärungsgrund giebt es kaum), die nimmer wieder-kehrende kostbare Gelegenheit versäumt haben, mit dem Anschlussan das schon von sieben Staaten adoptirte Frankensystem, zur Münz-einheit in Europa, vielleicht in der ganzen Welt, zu gelangen.
• Wie sich hieran leider nichts mehr ändern lässt, so ist auchdie neue Regulirung des Banknotenwesens, durch das Reichsgesetzvom 14. März 1875, ein fait accompli, bei w T elchem sich übrigensdie Kritik etwas länger aufhalten muss. Das Gesetz ist der Aus-druck einer, wenn auch nicht klar erkannten, so doch instinktivenReaktion des Volksbewusstseins, gegen die übertriebene Banknoten-wirthschaft der Preussischen Bank , wie der Kleinstaaten. Der Drang,einmal nach Einschränkung, zum andern nach möglichster Centra-lisirung der Notenausgabe, hat das Gesetz entstehen lassen, das imUebrigen den Stempel einer, üi der Eile, aus unzähligen Compromissenentstandenen Uebergangsmaassregel, in keinem Paragraphen verläug-net, somit auch die Lösung der eigentlichen Prinzipienfragen voll-ständig der Zukunft anheim giebt, nicht einmal ihrer richtigen Lö-sung näher führt. Die Fundamentalfrage von der absoluten Nütz-