137
aus den verrotteten Zuständen unserer Volksschule prinzipiell ein-geleitet hat, dürfen wir hoffen, dass Preussen im Erziehungs- undUnterrichtswesen bald wieder an der Spitze der grossen Culturstaateneinherschreiten wird, — ein Ehrenplatz, den es thatsächlich einge-büsst hatte.
Die Reform der Schullehrerseminare muss den Reigen eröffnen.Für die Volksschule wird ferner die Ausdehnung der Schulpflicht,mindestens bis zum vollendeten fünfzehnten Lebensjahr, als Nothwen-digkeit anerkannt werden müssen. Das vierzehnjährige Kind kannunmöglich den Bildungsgrad erreicht, noch die Wissensmenge in sichaufgenommen haben, die heutzutage, wo die Bedeutung der physischenArbeitsleistung immer mehr zurücktritt, gefordert werden müssen,die ihm allein Ansprüche auf fortschreitend höhere Vergütung fürseine Arbeit sichern. Und wenn auch die Verhältnisse vieler Kindernicht gestatten mögen, dass sie sich länger als bisher dem Unterrichtausschliesslich widmen, der Arbeit und Unterstützung der Eltern ganzentziehen, so muss doch nothwendig eine Zwangsverpflichtung *) zumBesuch von Fortbildungsschulen bis etwa zum sechszehnten Lebens-jahre hinzutreten, die möglichst gleichzeitig die Richtung auf allge-meine Geistesbildung und auf spezielle Ausbildung in dem gewähltenFach verfolgen. Ferner kann die Errichtung von niederen Gewerbe-und Fachschulen, für alle Zweige der Gewerbthätigkeit, nicht weitgenug ausgedehnt werden; Wiirtemberg ist uns hierin (ein hohesVerdienst des Präsidenten v. Steinbeis) mit glänzendem Beispiel vor-angegangen, und kann insbesondere die Art und Weise, wie hierStaat und Gemeinde für Errichtung und Dotirung von FachschulenZusammenwirken, als mustergültig hingestellt werden. — Von derVolksschule aufsteigend, harrt die wichtige Mittelschule oder höhereBürgerschule ihrer Organisation, dieses nothwendige Ergänzungsglied,um dem kleinen Bürger, dem Handwerker, dem Subalternbeamtenim Staats- und Privatdienst u. s. w., eine geschlossene Bildung in’sLeben mitzugeben. Die endliche definitive Gestaltung der Realschule,und ihres Verhältnisses zum Gymnasium, sowie ihrer beiderseitigenStellungen zu der Universität und den technischen Hochschulen, be-darf ebenso dringend der Regelung. Im Gebiet der höheren tech-
*) Dieser Zwang ist indirekt sehr leicht zn handhaben, wenn den Arbeit-gebern, hei hoher Strafe, untersagt wird, Kinder irgendwie zu beschäftigen,welche nicht den Nachweis regelmässigen Besuchs der obligatorischen Fort-bildungsschule heibringen.