gerne, daß wenigſtens folgende Stelle uns zu ernſtem Nachdenkenanregte„In unſerer Kirche iſt ein Theil des Gottesdienſtes in Ver-geſſenheit gerathen und was wir davon noch gerettet haben, ſcheintder nächſten Zutunft als Opfer zu fallen. Das göttliche Straf-gericht iſt über uns hereingebrochen. Sehet! die großen Lichterdes Himnels ſind verlöſcht, die Geſtirne des Firmaments habenaufgehört, unſeren Augen zu leuchten. Die Sonne wird ſich ver-dunkeln in ihrem Lauf, der Mond wird ſeinen Schein nicht mehrgeben; denn es ſpricht der Herr: „Ich werde der Sonne befehlen,ſich am Mittage zu verbergen und Finſterniſſe werden eure Erdebedecken. Ich werde eure Feſte in Tage der Trauer verwandeln undeure Freuden⸗Geſänge in Weheklagen.“ Dieß iſt die furchtbareDrohung, welche ſich unter uns erfüllt. Die Kirche Gottes ſtehtin Gefahr, ihr Licht zu verlieren. Wo unter uns iſt die Einig-keit, welche Jeſus Chriſtus von ſeinem himmliſchen Vater für dieGläubigen erbat? Wo iſt die Liebe deren Gebot er uns hin-terlaſſen hat? Was iſt aus dem Glauben an die von ihm ge-offenbarten Wahrheiten geworden, da heut zu Tage Jeder ſeineneigenen Eingebungen folgt? Wo findet ſich bei uns die ſicht-bare Kirche, welche das Licht der Welt iſt? Wo der maje-ſtätiſche Cult, welcher die Seelen mit heiliger Furcht und Zit-tern erfüllte?„Was wird das Ende dieſer Dinge werden? Blind, wiewir ſind, tappen wir den Wänden herum, welche uns einſchlie-ßen und von der Wahrheit ſcheiden. Wir taumeln, wie mitten
ſind einem verlaſſenem Cadaver in der Wüſte gleich! Wie die
Juden in den Tagen, wo ihre endliche Verwerfung ſich erfüllte,von Parteiungen zerriſſen wurden, ſo haben auch wir Engländer,
gleichſam als wären wir ebenfalls vom Gräuel der Verwüſtungberührt, nicht mehr ein Evangelium. Wir zählen wohl hundert, die ihre Anhänger und Vertheidiger haben, ſo daß der Zwie-tracht allein unſere Religion und das Bekenntniß-unſeresres Glaubens liegt. Wir kämpfen gegen einander undrufen uns Ketzer⸗Namen zu: die Unordnung heißen wir unſerLeben. Der Friede iſt uns ſo unbekannt, wie die Liebe.“„In welcher gefährlichen Verſuchung ſchweben Jene, welchedas Wort Gottes noch leſen, hören und begreifen wollen? Wer
kann Gottes Gebote und die ihnen verheißene Vergeltung noch
verſtehen? Wer kann ſich ohne ängſtliche Verwirrung in dieſenGedanken vertiefen? Darf man ſich noch verwundern und zürnen,wenn Einige, welche die wahrhaften Merkmale der Gegen-wart Jefu Chriſti in ſeiner Kirche über Alles ſchätzenund die unabläßig mit Erforſchung der Wahrheit ſich beſchäftigen,tief betrübt über die Verdunkelung des Lichtes und in der Hoff-nung, es an fremder Stelle zu finden, uns verlaſſen und in eineandere Kirche eintreten? Für meinen Theil, ich finde in ihremEntſchluſſe keine ſonderliche Schuld.“„Anſtatt über unſere bedauernswürdigen Spaltungen nachzu-denken und die volle Aufmerkſamkeit ihnen zuzuwenden, ſchüttenwir alle Bitterkeit gegen Jene aus, welche ſich von uns trennen.Anſtatt ein aufrichtiges Geſtändniß unſerer Uneinigkeit, welche mitdem chriſtlichen Geiſte in ſchneidendem Widerſpruch ſteht, abzulegen,ſenden wir verletzende Worte ihnen nach, die uns flehen. Anſtattdie Entheiligungen zu beweinen, wodurch wir ſie geärgert haben,erheben wir uns gegen ihren Schritt, den wir als Treuloſigkeitbezeichnen. Anſtatt der Lügen, Verleumdungen, falſchen Zeugniſſe,der Schadenfreude, des Geizes und der Begierlichkeit, welche unteruns herrſchen zu gedenken, und anſtatt zu bekennen daß die gött-lichen Gebote unter uns völlig gemißachtet ſind, ſprechen wir den
Abgegangenen jede Spur eines frommen Wandels ab. Anſtattdem Kreuze zu machen und zu erkennen, daß unſere Brüder unsnur verlaſſen, weil wir Gott verlaſſen haben und ſeiner nichtmehr würdig ſind, — ſtatt dieſer beſchämenden Betrachtungen undunſerer Rückkehr zu Gott, maßen wir uns an , ihre Ungeduld alsVerbrechen ihnen anzurechnen und über thörichte Verblendung der-ſelben zu klagen. Wir träumen von Verräthern und Feinden,durch die wir umgeben ſeyen, während der Verräther in uns iſtund der Feind in unſern Herzen wohnt. Unſere Blicke ſchweifenſpähend umher, was um uns vorgeht; aber uns ſelbſt verbergenwir vor unſeren Augen. Wir wundern uns, daß wir die Urſacheunſeres Unglücks nicht entdecken, indem wir ſie nicht in der Ver-kehrtheit unſeres Willens finden wollen, welche uns an der Er-kenntniß des Uebels hindert. Wir wiegen uns in eine betrüglicheRuhe, wenn wir auf einen ſchuldigen Mitchriſten ſtoßen, ähnlich dem falſchen Propheten, der ſein Laſtthier ſchlug , weiler Dennicht ſah, welcher vor den Augen deſſelben ſtand, den Engel desHerrn, deſſen Hände mit dem Racheſchwert bewaffnet waren.“Wenn ein Mann, welchrr der katholiſchen Wahrheit ſo naheſteht, noch länger zögert, den längſt erwarteten Schritt zu thunund die ſchwachen Feſſeln zu zerbrechen, durch diee mit demAnglicanismus zuſammenhängt, ſo möchte man ſeine Verblendungmit der Bileams zu vergleichen, ſich verſucht fühlen. Wie langewird Newman noch gegen den Stachel ausſchlagen?
Die katholiſche Miſſion in Imerethien(Georgien*).Das Kloſter der Capuciner in Kutais(Imerethien) liegtin höchſt reizender Lage, vom üppigſten Baumgrün umſchattet, amPhaſis. Die wilden Fluthen des berühmten Stromes rauſchten,ſchäumten und tobten dicht unter unſern Fenſtern, und das waruns eine gar liebe und heimliche Tafelmuſik, die neben herzlicherUnterhaltung mit den guten Vätern den imeretiniſchen Feuerweinganz eigenthümlich würzte. Es befinden ſich im Capucinerkloſtervon Kutais gewöhnlich nur zwei Geiſtliche, zufällig war aber da-mals noch ein dritter, der Pater Benedetto, anweſend, der, nach-dem er in Tiflis verſchiedene Widerwärtigkeiten erlebt, ſich nachKutais zurückgezogen hatte, nun zur Heimreiſe nach ſeinem Vater-land Sicilien ſich anſchickte, und die willkommene Gelegenheit er-griff die Reiſe bis Konſtantinopel mit uns zu machen. Der erſte Klo— ſtergeiſtliche war ein Italierener, der zweite ein Imerethiner aus Kutais,Zögling der Propaganda. So ſehr letzterer auch ſeinen italieni-ſcen Collegen an wiſſenſchaftlicher Bildung die er in Rom ſichgeholt, überragte, ſtand der Italiener doch wegen ſeiner heiternGutmüthigkeit, die er mit den meiſten italieniſchen Capucinern ge-mein hatt, bei den Katholiken der Stadt und der Gegend in weithöherer Achtung und Liebe als der eingeborne Prieſter. Ich waroft Zeuge der kindlichen Verehrung, welche die armeniſchen Kna-ben für ihn hegten, die der Capuciner in der Schule, wenn ſiefleißig waren, mit Kupfermünzen beſchenkte. Don Antonio wardafür geiſtreicher und durch ein impoſantes Aeußere begünſtigt, erhatte die ſchöne Phyſiognomie der Landeskinder, die feingeformteAdlernaſe und einen prächtigen rabenſchwarzen Bart. Mit Stolzzeigte mir dieſer unterrichtete Propagandiſt ſeine ziemliche Biblio-thek, die meiſt aus italieniſchen und armeniſchen Büchern beſtand,ſonſt beſaß er auch einige franzöſiſche Werke, z. B. Boſſuet, Maſ-ſillon ꝛc. Leider macht man es in neuerer Zeit dieſen Mönchen
*) Von dem Verfaſſer der„Briefe eines deutſchen Reifenden vom ſchwar-zen Meere“ in der Allgemeinen Zeitung.