Augsburger Postzeitung.
Erſte Jahreshälfte. № 2. 12. Januar 1845.
Die Chriſtnacht
in der Kirche der Vorſtadt Au bei München.
Um eilf Uhr, da ſich's eben auf den Straßen zum Beſuchder Metten zu regen begann, ſchallten Glockentöne über die Iſarher in mein Ohr. Solch einem Ton, ſilberhell, lieblich und feier-lich zumal, wie man ihn ſelten anderswo hört, mochte ich nichtgern Widerſtand leiſten, und ich machte mich auf, ihm erwar-tungsvoll entgegen zu gehen. Als ich dann draußen ſtand imFreien, fingen auch alle übrigen Glocken der Stadt zu läuten an,und es war in der ruhigen Nacht ein Concert, ſo heimlich undſchmeichelnd, daß die Sehnſucht nach dem, der in dieſer Stundevom Himmel auf die Welt kommen ſollte, nur noch lebhafter ward,und es ſchien als ſtreckten die Kirchen in ihren Thürmen die Armenach ihm aus, und als riefen ſie ihm von der Höhe je näher umſo lauter entgegen. Ich ging über jene Brücken, auf denen inderſelben Nacht vor mehr als hundert Jahren die Schaaren desGebirges zum Entſatze Münchens heranrückten. Sie wollten dieFamilie des Churfürſten, der es zudem gerade nicht auf ihre Liebeangelegt gehabt, in treuer Geſinnung aus Feindes Hand befreien,ſie wollten ein ungerechtes tyranniſches Joch abwerfen, und lieberbayeriſch ſterben als kaiſerlich verderben, aber ſchnöder Verrathzerſchnitt den wohlangelegten Plan, und die Chriſtnacht ward denheldenmüthigen Streitern bei Sendling zur Nacht des ewigen Frie-dens. Gutes Volk, das die Söhne jener Getreuen bilden, mögedich nie ein ähnliches Loos treffen!— Bald ſtand ich in der Nähedes ſchönen gothiſchen Baues, den eben der Mond beglänzte. Iſter ſchon im Tageslicht ſo anziehend, durch ſein Ebenmaaß und ſeinewohlgewählte Stellung inmitten eines großen Platzes, durch dieſinnreichen Verzierungen ſeiner Portale, durch die vollaufgeblühtenRoſen ſeiner Fronte, durch die vielen wohlgeformten Giebelthürm-chen und durch den hohen Weiſer, der kühn, als wollte er unsden allenthalben nöthigen Muth zuſprechen, in die reineren Lüfterankt und in eine große ſeelenerweiternde Ferne ſchaut, ſo ſcheintdieß Bild im Mondlicht faſt verklärt, mehr aber noch, weil dieLichter, die in der Kirche ſchimmerten, die herrlichen Glasgemälde
erhellten, ſo daß man dieſe auch von außen in milder Beleuchtung
erſchaute, und das Auge ſich bewundernd auf ihre Farbenprachtheftete. Solche Wirkung iſt bei den Glasgemälden des Mittel-
alters allerdings nicht zu erwarten, da ſie nur aus kleineren Par-tien beſtehen, aber freilich in dieſen einen ſolchen Reichthum myſti-ſcher Poeſie entwickeln, daß unſre Zeit dieſelbe eben erſt zu ahnenvermag. Der Kirche ſelbſt möchte man noch eine Erweiterung insKreuz wünſchen, doch treten wir ins Innere, ſo findet man ſichwahrhaft überraſcht, und vergißt dieſen Wunſch gern. Welchfreier bewundernswürdiger Schwung der hohen Säulenbündel, diezu oberſt ihre Zweige in einander verflechten! Jetzt, da die Kirche vonwohl mehr als 300 Lichtern erhellt war, konnte man ſich zurück-denken in die Wälder hochſtämmiger Fichten und dichtlaubiger Eichen,als dort beim Schein der Fackeln noch die heiligen Geheimniſſegefeiert wurden. Und dann die einfachen, ſinnigen Altäre, aufderen mittelſtem bald das Hochamt gefeiert werden ſollte, währendder hl. Fronleichnam, die Stärke der Kranken und Schwachen,auf dem einen, und das anmuthige, heilige GedankenweckendeBild von Mariahilf, auch ein Meiſterwerk der Kunſt, auf demandern Seitenaltare ruht. Unter den trefflichen Glasgemälden aber,die rechts und links in fortlaufender Reihe das Leben der helfendenGottesmutter von ihrer Geburt bis zur Himmelfahrt darſtellen,und unter denen beſonders das Bild der hl. drei Könige die Leuterecht ſehr anſpricht, unter dieſen meiſterhaften Gebilden eines Ain-müller und anderer befinden ſich die Stationen des hl. Kreuzwegsaus Holz und ganz im Style der Kirche von Schönlaub recht bravgeſchnitzt, ſo daß in der ganzen Kirche eines zum andern vollkom-men paßt, vielleicht mit einziger Ausnahme der Kanzel, die etwaszu bund gefärbt ſcheint. So hat die Gemeinde der Güte ihreserhabenen Fürſten einen der ſchönſten Tempel zu danken, der jeden- falls unter den neueren fertigen Gebäuden das zweckmäßigſte, an-ſprechendſte und verhältnißmäßig, wie es vom verſtorbenen Ohl-müller zu erwarten war, am billigſten gebaute zu nennen iſt; ſieweiß es aber auch zu ſchätzen, und die Liebe zu König Ludwig iſttief in ihre Herzen eingeſchrieben. Vielleicht erfreut ſich auch ihreNachbargemeinde, die für ihre gegenwärtige Kirche um ein Guteszu groß geworden iſt, in nicht ferner Zeit einer neuen Kirche; eineKirche, wie in Berg am Laim, auf der Iſarhöhe, ſie müßte einen er-habenen Anblick gewähren! Aber ich vergeſſe über den Gebäudenfaſt den Gottesdienſt, obwohl dieſelben auch in plaſtiſcher Weiſeein ſolcher ſeyn können. Das Volk war in Andacht und feierli-cher Stimmung zahlreich zur Kirche gekommen. Die Weihnachts-