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Meister des Plagiats oder die Kunst der Abschriftstellerei / Paul Englisch
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ohne die Beeinflussung einzugestehen"). Anatole France über-nahm in den genannten Werken nicht nur einzelne Worte, son-dern die Gedanken, Tatsachen, die Quellen und das geschicht-liche Milieu. Er legte nicht nur die Studien Renans seinen belle-tristischen Werken zugrunde, sondern trug nicht das geringsteBedenken, gleich Moliere dasGute zu nehmen, wo er es fand".Und doch müssen seine Kritiker zugeben, daß er keineswegszum sklavischen Abschriftsteiler herabgesunken ist, sonderndas Übernommene so in den Organismus seiner Erzählungenverarbeitete, daß sie zum Schaden des Ganzen kaum darausgetrennt werden könnten. Seine ihn darob tadelnden Autorenbeweisen damit nur, daß sie seiner Persönlichkeit nicht gerechtzu werden vermögen. Anatole France lebte, wie H. W. Ep-pelsheimer 6 ) so schön dargestellt hat,in seiner Lektürewie Andere in der Welt. Er war, von Büchern erfüllt und vonBüchern geformt, wie ein Gefäß, das von einem kostbaren In-halt verschönt und veredelt wird. In ihm lebt die Überzeugung,daß nichts mehr zu erfinden, das Erfundene bestenfalls schöner,klarer, eleganter noch einmal zu sagen sei." Er stellt mit feinemLächeln die Forderung, daß, wenn wir sehen, einer stehle unsunsere Ideen, wir, bevor wir schreien, erst prüfen müßten, obsie uns auch wirklich gehören. Ideen seien niemandes Eigentum,sondern marktgängiges Wandergut. Er illustriert seine Ansichtdurch einen besonders lehrreichen Fall. Ein junger Schrift-steller, Maurice Montegut, war darauf verfallen, daßdie Hauptsituation imHindernis" von Alphonse Daudet einem von ihm verfaßten, 1908 gedruckten VersdramaDerWahnsinnige" entlehnt sei und veröffentlichte diese Tatsachein den Zeitungen.Es ist wahr, daß wohl im .Wahnsinnigen'wie im .Hindernis' eine Mutter auftritt, die ihre Ehre dem Glückihrer Kinder opfert; die, Witwe eines Wahnsinnigen, einen er-

8 ) Vgl. Leon Carias, Anatole France et Renan, in: La Grande Revue Okt.1922, Nr. 10, S. 529566; Andr6 Provost, Les sources deThais" d'AnatoleFrance; ebd. Nov. 1921, S. 1655; Friedrich v. Oppeln-Bronikowski, AnatoleFrance als Plagiator, in: Die Literatur, 26. Jhrg. 1924, H. 4, S. 202/3.

e ) ImJahrbuch deutscher Bibliophilen und Literaturfreunde" 14./15. Jhrtf.S. 60 ff.

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