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Meister des Plagiats oder die Kunst der Abschriftstellerei / Paul Englisch
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Begibt man sich erst einmal auf die schlüpfrige Bahn derPlagiatriecherei, so bereitet es nicht geringe Schwierigkeiten,die richtigen Grenzen abzustecken, an denen sich originaleSchöpfungen und Plagiat begegnen. Papst Gregor VII. ließ dieBibliothek des Königs Mathias Corvinus den Flammen über-geben, darunter auch die Werke Varros, um den Kirchen-vater Augustinus, der für große Teile seinesCivitas Dei "die Schriften Varros benutzt hatte, vor dem Vorwurf desPlagiats zu schützen 0 ).

Im dritten Buch seinesGargantua" entfaltet Rabelais eine beinahe unheimliche Gelehrtheit. Sein immenses Wissenaber verdankte er nicht eigenem mühseligen Studium, sonderndem Aulus Gellius , den er in schöner Unbefangenheitbedenkenlos geplündert hat. Und Rabelais war gewiß einer vonden Großen, die über genügend Geist verfügten, um auf ihreZeit bestimmend einzuwirken. Was soll man dann von demgroßen Heer der kleineren Schriftsteller sagen, die bedenkenlosdie Geisteserzeugnisse ihrer nicht gerade bedeutenden Vor-gänger bestahlen? Da man noch zu keinem gesetzlich ge-schützten Urheberrecht sich hatte aufschwingen können,konnten die Abschriftsteller straflos ihrem dunklen Gewerbenachgehen.

R. Pilger 0 ") (Die Dramatisierungen der Suzanna", Halle1879, S. 6189) weist überzeugend nach, daß HeinrichJulius mit seinerTragica comoedia Hibeldeha Von derSusanne . . . usw.", gedruckt zu Wolfenbüttel anno 1593,F r i s c h 1 i n sSusanna" plünderte ob ).

Jacob Schwieger beklagt sich in seinerAdelicheRose", Glückstadt 1659 und zwar in der Vorrede, daß ihmJoachim Christoph Finx, Magister der Philosophieund Hauslehrer, der nach literarischen Lorbeeren gierte, ihmetliche geistliche Lieder gestohlen und unter seinem Namenhabe drucken lassen, wie er auch dessenGeistliches Lust-

) Der Bücherhirt, 1. Jahr, 1. Heft, S. 25.Genauer Titel bei Hayn-Gotendorf I, 658.Vgl. Goedeke III, 105, 41.

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