die Koryphäen der damaligen Literatur hielten es nicht für unterihrer Würde, ihre Vorgänger nach Kräften auszuschlachten. Umnicht sogleich auf einem literarischen Diebstahl ertappt zuwerden, gebrauchten sie die begreifliche Vorsicht, ihre Pam-phlete anonym oder Pseudonym herauszubringen.
Johann Friedel und Joseph Rautenstrauchgenießen noch heute literarisches Ansehen, allein auch siemüssen als Plagiatoren angesehen werden. Schon die Zeit-genossen klopften ihnen auf die übereifrigen Finger. B e h r i s c hweist in seinem Buch „Die Wiener Autoren", 1784, S. 84, daraufhin, daß Johann Friedeis Buch unter dem Titel: „GirtannerChristoph, Fragmente über J. J. Rousseaus Leben, Charakterund Schriften", bei Gerold in Wien 1782 erschienen, wörtlichaus dem „Göttinger Magazin" abgeschrieben worden sei. S.Arnold, hinter welchem Pseudonym sich der besagte Rauten-strauch verbirgt, nennt in „Schwachheiten der Wiener" (1785,I. Bd., S. 35) Friedel gleichfalls einen Plagiator und bezichtigtihn unsauberer Geschäfte:
„Jene zween Buchhändler, die wörtlich abgeschriebene, anderwärts bereitsgedruckte Schriften als eigenes Originalmanuskript von ihnen kauften,wissen davon zu reden, wie sehr sich dieser herrliche Autor darauf verstand,mit fremdem Gut als seinem Eigentum zu liandeln."
Wie Gustav Gugitz in seiner Monographie über Joseph Friedel 1 *)mit Recht bemerkt, hätte Rautenstrauch besser daran getan,im Hause des Gehenkten nicht vom Strick zu sprechen. Denner selbst machte sich kein Gewissen daraus, in den gleichenFehler zu verfallen. Seine „Schwachheiten der Wiener" sindvielfach ein wörtlicher Abklatsch von Merciers „Tableaude Paris".
Naturgemäß bevorzugt der Plagiator solche Gebiete, aufdenen er nicht so leicht gefaßt werden kann oder auf denener keinerlei Verfolgung zu gewärtigen hat. Der beliebtesteTummelplatz solcher unselbständigen Geister ist deshalb be-greiflicherweise das weite Gebiet der stark erotischenund pornographischen Literatur, da der durch die Berner
ts ) Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, Bd. 15, S. 22t.
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