Mein Freund! In holder Jugendzeit,Wenn uns von mächtigen Triebenzum seVgen ersten LiebenDie Brust sich schwellet hoch und weit,
so hören wir dazu die populäre Melodie aus der Ouvertürezu den „Lustigen Weibern von Windsor " von Nicolai 98 ).
Das ,,Salome"-Thema von Richard Strauß zeigt einedeutliche Ähnlichkeit mit Tschaikowskys „Pathetique",letzter Satz. Das „Electra"-Motiv finden wir bereits in einemStreichquartett von Dvorak , sein Wiegenlied aus der„Domestica" in Felix von Mendelssohns „Lieder ohneWorte", seinen Walzer aus dem „Rosenkavalier" bei JosephStrauß .
Der Musiker, der Komponist, hat es ja viel schwerer, demVerdacht eines Plagiats zu entgehen, weil die einmal gehörtenMelodien unter der Schwelle des Bewußtseins lange Zeit ver-borgen bleiben können, um eines schönen Tages dem schaffendenKünstler wieder im Ohr zu klingen, so daß er, ohne sich dessenbewußt zu werden, die früher einmal vernommenen und jetztwieder aufgetauchten Melodien als eigene ansieht und sie inseine Kompositionen verwebt. Die daraus zufließenden „Tan-tiemen" könnte man dann zutreffend mit „Finderlohn" ver-deutschen. Vor längerer Zeit brachte die Zeitschrift „Musik füralle" fast in jeder Nummer Parallelen zu bekannten Motiven,wobei es sich zeigte, daß selbst bei den hervorragendsten Namendie Böswilligkeit den Vorwurf des Plagiats hätte erhebenkönnen. Und doch erklärte sich die Übereinstimmung, wie obenangedeutet, sehr einfach. Auf einem anderen Felde liegt natür-lich die zeitgenössische Ausschlachtung erfolgreicher Operettenoder Opern durch Komponisten zweiten Ranges, deren Phan-tasie weniger reiche Früchte trägt, und für die der französischeRechtsgrundsatz „La recherche de la paternite est defendue"eigens geschaffen zu sein scheint. So soll der Foxtrott-Schlager„Was machst du mit dem Knie, lieber Hans" dem Schlußsatz
98 ) Stemplinger a. a. O. S. 280.
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