Druckschrift 
Meister des Plagiats oder die Kunst der Abschriftstellerei / Paul Englisch
Seite
75
Einzelbild herunterladen
 
  

decken, das Angemaßte als sein geistiges Eigentum hingestelltwissen. An dieser Tatsache läßt sich nicht drehen noch deuteln.Nimmt man diese erkennbare Absicht, den Ursprung einer Pro-duktion mit allen Mitteln zu verschleiern, als Kriterium an, sodürften wir gewiß einen großen Schritt näher auf dem Wegezu einer erschöpfenden Definition des BegriffsPlagiats" getanhaben. Ehe wir jedoch eine Definition versuchen, sei noch derGrenzfälle gedacht, bei denen oft die Entscheidung, ob einPlagiat vorliegt, nicht ohne weiteres zu bejahen, noch zu ver-neinen ist. Es kommen hier in Frage:

1. die stoff- und motivgeschichtliche Übereinstimmung,

2. das Verhältnis des Autors zur historischen Quelle,

3. das überscharfe Erinnerungsvermögen.

1. Die stoff- und motivgeschichtliche Übereinstimmung.

Gerade von den vorurteilsfreiesten Geistern ist mit Rechthervorgehoben worden, daß die Erscheinungsformen des täg-lichen Lebens zu beschränkt seien, als daß es dem schaffendenKünstler immer möglich wäre, auf Grund eigener Erfindungs-gabe seine Stoffe zu gestalten. Es hat, worauf schon hingewiesenwurde, Hunderte von Malern gegeben, die Madonnenbildergemalt haben, und doch trägt jedes seine eigene Note. Selbstbei absoluter Gleichheit des Stoffes wird das Werk des einenMalers sich ganz anders repräsentieren wie das des anderen.Nehmen wir zum Beispiel einmal die Malweise von Rubens und diejenige van Dycks, seines Schülers. Rubens brachte esfertig, in seinen Porträts ein seltsam leuchtendes Rot zu ge-brauchen, das in dem Schatten zu einem tiefen Schwarz wurde.Van Dyck anderseits hat diesen Effekt niemals erreicht. Sowandte er eine andere Methode an. Er malte die hellen Stellenin Gelb oder Weiß und die dunkleren Partien in Rot oderDunkelbraun. Die vorherrschende Farbe in seinen Werken istalso Braun. Bei Rubens ist es das Rot. Rubens hatte außerdemeinen gewissen Trick, Schatten auf Fleisch in Grün zu setzenund zugleich die Anatomie des Körpers durch das korrektePlacieren dieser grünen oder blaugrünen Schatten herauszu-

75