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letzten Jahre einschränkende Reformen vorzunehmen, an die Ueber-stürzung, womit dieses Gesetz berathen wurde, eine gleiche Ueber-sttirzung der Reform anzuknüpfen. Wir halten ferner die Actien-gesellschaft an und für sich für ein so nothwendiges, als nützlichesGlied in der Kette der wirthschaftlichen Fortentwickelung kultivirterund reicher Staaten, machen also, mit einem Wort, weder die Grund-prinzipien der bestehenden Gesetzgebung, noch diese Gesellschafts-form selbst für das furchtbare Unheil verantwortlich, das aus derersten Anwendung der neuen Freiheit thatsächlicli erwachsen ist.Hätte die Gunst des Geschicks die neuen Prinzipien fünf Jahre früherin Kraft treten lassen, wo die stete Furcht vor einem Kriege mitFrankreich ein Gegengewicht gegen die, stets zu Ausschreitungenneigende Spekulation abgab, so hätten die inzwischen gewonnenenErfahrungen vielleicht hingereicht, die Ausschreitungen von 1872/73auf ein geringeres Maass zurückzuführen oder vorher Remedur zuschaffen. Allein so wie die Sache lag, war das neue Actiengesetzwenige Wochen vor Ausbruch des Krieges, gerade zur Zeit erlassen,um die Spekulation schon während des Krieges, dessen glücklichenAusgang man schon vom September 1870 ab zu escomptiren begann,mit seiner Handhabung vertraut zu machen. Nichts natürlicher, wiein der steigenden Unternehmungslust, nach hergestelltem Frieden,die neue Handhabe bis zum Uebermaass in Anwendung gebracht zusehen.
Um zu begreifen, wie es möglich war, dass der Actienunfugdiese Ausdehnung erreichen, und diese verderbliche Wirkung aufdas ganze wirthschaftliche Leben üben konnte, muss man sich zu-erst klar machen, worin die Vortheile und Gefahren des Actienwe-sens überhaupt liegen, und wie ferner die veränderte Gesetzgebungzur Basis so trauriger Ausschreitungen werden konnte.
Was die rechtliche Grundlage und die finanzielle Solidität derActiengesellschaften anbelangt, so haben sie im Allgemeinen, na-mentlich für grossartige Unternehmungen, in denen heutzutage derSchwerpunkt der gewerblichen Thätigkeit liegt, vielfache Vortheilevor den alten Handelsgesellschaften. Im Verhältniss der Gesell-schafter zu einander, fällt das Risiko fort, welches die solidarischeHaftbarkeit bei der offenen Handelsgesellschaft auferlegt und jedeneinzelnen Gesellschafter zum Herrn Uber Vermögen und geschäftlicheEhre der anderen macht; die Einlage des Actionärs bildet dieobere Grenze seines Risikos. Dabei stellt aber der Wegfall dersolidarischen Haftbarkeit der Gesellschafter, die Gläubiger der