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Die wirthschaftliche Krisis / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
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Actiengesellschaft im Grossen und Ganzen doch nicht nachtheiliger,als hei den alten Handelsgesellschaften; im Gegeutheil verlieren beiConcursen oder Liquidationen von Actiengesellschaften die Gläubigerweit seltener, als hei den Handelsgesellschaften, oder Privaten, undder Verlust beschränkt sich in der Eegel auf die Kreise der Actio-näre. Der Grund liegt einfach in der Oetfentlichkeit des Actien-wesens, in der Bekanntschaft des Publikums mit der allgemeinenVermögenslage jeder Gesellschaft, während diese bei den alten Han-delsgesellschaften, oder den Privaten, errathen werden muss und oftden grössten Täuschungen unterliegt. Diesen Vorzügen im innerenBau der Actiengesellschaften mag bezüglich ihrer wirthscliaftlichenProductivität und der Solidität in Concurrenzverhältnissen allerdingsein Nachtheil gegen die Handelsgesellschaften entgegen gestellt werdenkönnen. Nicht alle Directoren wirthschaften so sparsam und ge-wissenhaft für die Actionäre, als die Compagnons einer Handelsge-sellschaft, als der private Gewerbtreibende, für die eigene Tasche.Eine gewisse Atmosphäre des Leichtsinns ist in der Leitung derGeschäfte durch die Directoren (in deren Hand das Schicksal derGesellschaften ruht) und in der Controle derselben durch die Auf-sichtsräthe vielfach unverkennbar. Leider ist dabei das Organ derGesammtheit der Actionäre, die General-Versammlung, erfakrungs-mässig wenig geeignet, kräftig und rechtzeitig einzugreifen. Wennsich in der letzten Krisis die Generalversammlungen zu energischemHandeln aufrafften, war es fast immer zu spät, um mehr als dieTrümmer zu retten. Und zu der geringeren wirthscliaftlichen Pro-ductivität vieler Gesellschaften tritt oft, ja gewöhnlich, eine erhöhteKostspieligkeit der Leitung und Verwaltung, so dass der Actionärin den wenigsten Fällen eine Dividende zieht, welche dem Gewinndes privativen Geschäftsbetriebes vollkommen gleichkommt. Aller-dings giebt es auch Beispiele des Gegentheils, sowie denn überhauptbei der grossen Mehrzahl der älteren Aktiengesellschaften Deutsch-lands eine gewissenhafte Leitung die Regel bildet. Ueberdies er-spart der Actionär Zeit und Mühe der Tkeilnakme an der Geschäfts-leitung und kann sich jedenfalls leichter, und gewöhnlich mit geringe-ren Verlusten zurückzieken, oder zu Besserem, was sich darbietet,übergehen, als das Mitglied einer Handelsgesellschaft.

Die beklagten Einflüsse des Aktienwesens auf Entwickelungder letzten Krisis können also keinenfalls darin gesucht werden,dass überhaupt Kapital und Kräfte sich dieser neuen Gesellschafts-form zugewandt haben, in der sich eine etwas geringere wirthschaft-

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