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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Journalist und Volksredner.

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war ihm ein Greuel. Einmal nach 1870 mußte er freilichanstandshalber seiueu Besuch dort abstatten. Gegen Speichel-leckerei hatte er eine ehrliche Abneigung. Mau erzählte, er sei anjenen Besuch iu Mainz schwer Heraugegangen. Die Mainzerstanden noch im Gernch der Abstammung von den ehemaligenKlubisten, und es schien nicht ganz so geheuer in ihrer Mittewie in dem loyalen Darmstadt. An der Landspitze, wo der Main in den Rhein vor Mainz mündet, soll allerdings nach sehrunverbürgten Angaben, der fürstliche Wagen still gestanden haben,um Zeit zu eiuer mit dem Fernglas vorgenommenen Rekognos-zierung des verdächtigen Gebietes zu lassen.

Es lief natürlich alles sehr friedlich ab, wieder mit Fackel-zug nnd Illumination.

Ich hatte mich bei der Ankunft des Mitregenten iu den Hof desSchlosses begeben, um den Empfang zu beobachten. Eine Anzahlder neugebildeten Bürgergarde war daselbst als eine Art Ehren-garde ausgezogeu, aber ohne Waffen uud ohne Uniform. In demAugenblick, da die großherzoglichen Equipagen sich näherten,musterte der Kommandant seine kleine Schaar, und nm seinenAmtseiser zu bethätigen fand er nichts, als plötzlich auf einenseiner Mannen loszustürzen und ihn anzuherrschen:So knöpfeuSie doch wenigstens Ihren Rock zu." Dieswenigstens" amüsirtemich sehr. Es gab wohl dem Schmerz Ausdruck, daß man keinGewehr zum Präsentieren hatte.

Da mein erster Leitartikel ewiges Aufsehen gemacht undin den liberalen Kreisen des Publikums Beifall gefunden hatte,und da gleichzeitig die Bewegung nah und fern täglich größereDimensionen annahm, trat ich an den Verleger mit demAnsinnen heran, das Format der Zeitung zu vergrößern. Willigging er daraus ein. So kündigte schon am 15. März, wenigeTage nach meinem Eintritt in die Redaktion, das Blatt anseiner Spitze in großer Fettschrift für den folgenden Tag seineneue Ausstattung an. Am 16. März erschienen wir in einemGroßfolio, welches noch heute als nicht unansehnlich bezeichnetwerden dürfte. An der Spitze marschierte ein Leitartikel mit derUeberschrift:

Das deutsche Parlament; Geständniß eines Staatsverbrechers"