Journalist und Volksredner.
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überzeugt, daß aus der ganze» Sache schließlich nichts Lebens-fähiges hervorgehen, binnen knrzem alles in die alten Geleisezurückgekehrt seiu werde. Bereits am 11. Juni schrieb ich der„Mainzer Zeitung" u. a. folgendes:
„Sie machen mir Vorwürfe, daß ich Ihnen nur trockeneBerichte schicke, und ich kann nicht anders als Ihnen recht geben.Nur mildernde Umstände möchte ich anführen, welche in der Auf-gabe selbst liegen. Es fehlt eben dem, welcher den Lebensprozeßder Frankfurter Versammlung verfolgt, jede innere Aufforderungoder Anregung zn einem Gesamturteil; es fehlt jeder Ruhepunkt,jede Handhabe das Wahrgenommene in ein Resultat zusammen-zufassen und zwar deshalb, weil so wenig festgestaltete Meinunguud Absicht und so wenig scharfes Selbstbewußtsein iu der Ver-sammlung wohnt, weil eben darnm ihr Gang der eines verlegenhin uud her trippelnden Menschen ist, der nicht weiß, wohin ergehen will. Die Wahlen sind zum großen Teil konservativ aus-gefallen, und so haben wir denn das eigentümliche Phänomen,daß ein gesetzgebender Körper in seinen einzelnen Teilen dazu be-stimmt und beauftragt scheint, mehr oder weniger sich bedeutende»Neuerungen zu widersetzen, während er zugleich nicht leugnen kaun,daß deuuoch die Gesamtheit der Nation, daß der ganze Begriffseiner Existenz ihn zu Großartigem auffordert, und er darum auchimmerhin unter dem Eindruck dieser Vorstelluugsweise steht.Sollte ich es kurz ausdrücken, so würde ich sagen: Was dieseLeute (die konservative Mehrheit der Versammlung) wollen, das istsehr klein; sie fühlen aber die Notwendigkeit, dem Publikum, dasetwas Großes zu sehen uud zu hören erwartet, auch einigermaßenzn genügen. Danach können Sie sich schon denken, wie man sicharrangiert: die Größe spendet man in Worten, uud die That bleibt
klein der Vorwurf, welchen die Versammlung mit Recht
verdient, ist nicht sowohl, daß mit ihren bisherigen Verhandlungennichts gethan ist, als daß die bisherigen Verhandlungen gezeigthabe», daß sie in Zukunft nichts thnn wird."
Um die Mitte des Monat Juni war der lang erwartete,von Dahlmann verfaßte Majoritäts-Bericht des wegen Errichtungeiner provisorischen Zentralgewalt von der Nationalversammlungniedergesetzten Ausschusses fertig geworden. Er ging in der ent-scheidenden Bestimmung darauf hinans, daß bis znr definitivenBegründung einer Regierungsgewalt für Deutschland ein Bnndes-direktorium zur Ausübung dieser obersten Gewalt in allengemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation bestellt werden