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Neben einem solchen Goldbestand fielen die überflüssigen Thalerkaum mehr ins Gewicht; damals konnte man unbedenklich denThalerrest, welcher unsere Goldwährung zu einer „hinkenden"macht, als eiueu blofsen Schönheitsfehler ohne praktische Bedeu-tung bezeichnen.
Aber inzwischen haben sich die Verhältnisse abermals ge-ändert, und zwar in einer Weise, welche uns wieder deutlich vorAugen führt, dafs Abweichungen von einer gesunden Münzpolitikauf die Dauer niemals ganz ohne Bedenken und Nachtheile sind.
Der starke wirthschaftliche Aufschwung, welcher im Jahre1895 begonnen hat, und der seinen Höhepunkt noch nicht er-reicht zn haben scheint, hat infolge der vermehrten Umsätze, dergesteigerten Preise und Löhne, der finanziellen Operationen zurGründung neuer und Erweiterung alter Unternehmungen u. s. w.den Bedarf des Verkehrs an Umlaufsmitteln aller Art beträchtlichgesteigert. Da der Verkehr bei uns in letzter Linie aus der
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Reichsbank schöpft, hat deren Notenumlauf eine erhebliche Aus-dehnung und gleichzeitig ihr Metallvorrath eine erhebliche Verrin-gerung erfahren. Die Verringerung des Metallvorrathes hat wohlGold und Silber procentual gleich stark betroffen; aber wenn esbei einem Metallbestand von mehr als einer Milliarde kaum etwasausmachte, dafs davon 300 Millioneu iu Silbergeld bestanden, soist es bei einem Metallbestand von 850 Mill. Mk., wie ihn derDurchschnitt des Jahres 1898 aufwies, bereits nicht mehr gleich-gültig, ob deren nahezu 270 in Silber und nicht viel mehr als580 Mill. Mk. in Gold bestehen. Namentlich an einzelnen beson-ders ungünstigen Tagen, an welchen der Goldvorrath der Reichs-bank knapp 450 Mill. Mk. erreicht haben dürfte, wäre es für dieReichsbank doch von allergröfster Wichtigkeit, wenn sie an Stelledes für ihre Aufgaben entbehrlichen Theiles ihres Silberbestandesentsprechend mehr Gold in ihren Kassen hätte. Namentlich iuihrer Diskontpolitik würde die Reichsbank dadurch sicher eines;ewisse Erleichterung erfahren; sie wäre nicht genöthigt, so ängst-
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lieh wie jetzt über ihren Goldbestand zu wachen, und eine Gold-entziehung für das Inland oder Ausland, welche heute zu eiuerDiskonterhöhung nötigt, würde bei einem entsprechend höhereuGoldvorrath leichter ertragen werden können.
Die Nachtheile der hinkenden Währung sind also gegenüberden ersten Jahren nach der Einstellung der Silberverkäufe zwar