vernünftigen S.iebe überhaupt. 295
Jedoch ist es nichts ungewöhnliches, daß man sichauch in unvernünftiger Liebe den Todt anthue,wenn man sich seine Wollust und andere Begier-den zu erfüllen beraubet siehet.
77. Und weil man ferner bey den Schein-Gutthaten auf sein eigenes Imereile und Belu,stigüng ziehlet; als erweiset man seinem Freundesolche Dinge, die uns vergnügen, und beküm-mert sich nicht, ob er einen Gefallen daran habeoder nicht. Man dringet sie andern auf,wenn sie gleich dieselben nicht verlangen, noch de-ren benöthigel sind. Man wünschet denen an-dern ein grosses Unglück oder Verdruß anHals, daß man seine Milde und Gutthcmgkeitan ihme bezeigen, und sie dadurch uns vervfiich,ten möge.
7z. Letzlich weil die unvernünftige Liebe alle-zeit auf ein unruhiges Vergnügen gegründet ist,so erweiset man auch den andern solche Liebes-Dienste am liebsten, die der Tugend zuwiderseyn, und die Gemülhs-Ruhe stöhren, theils da-mit wir den Freund zu gleichmaßigen unruhigenDiensten wieder brauchen können; theils weilwir aus deren Begehren spühren, daß er unsgleich seyn müsse. Ja wenn man siehet, daß der-selbe, weil er nicht so unvernünftig ist als wir, sichschämet, dieselben von uns zu begehren, so frischetman ihn desto mehr darzu an, und wenn er Hinge-gentheil was Löbliches von uns verlanget, lachetman ihn aus, als einen unverständigen Menschen,T oder