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Christian Thomasens Von Der Kunst Vernünftig und Tugendhaft zu lieben : Als dem eintzigen Mittel zu einem glückseeligen, galanten und vergnügten Leben zugelangen, Oder: Einleitung Der Sitten-Lehre ; Nebst einer Vorrede, In welcher unter andern der Verfertiger der curiösen Monatlichen Unterredungen freundlich erinnert und gebeten wird, von Sachen, die er nicht verstehet, nicht zu urtheilen, und den Autoren dermahleins in Ruhe zu lassen
Entstehung
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vernünftigen S.iebe überhaupt, zit

das Wesen der Liebe ihm diese Freyheit gebe, undsein Freund sich des begehrten ohnmvglich wedereinbrechen werde noch solle, in seiner vorigen Ruheeinmal wie das andere bleibet.

99. Jedoch ist dieses nur eine'Gemeinschaft,nicht aber eine Herrschaft; weil der eineFreund gleichermasien von dem andern eben dasgewärtig ist, und demselben eben dieses gestaltet,wessen er sich gegen ihm bedienet. Und alsssiehest du, daß zwar bey der Gutchatigkeit nichteben eine unruhige, aber doch auch nicht so ei-ne ruhige Gemüths-Bewegung sei), als bey derGemeinschaft, weil bey jener die Liebe noch inihrem Wachsthum, und also ihre Bewegungdesto empfindlicher ist. Bey dieser aber allbereitdie höchste Vollkommenheit erhalten, und solcher-gestalt, weil ihre Bewegung nichts veränderlichesan sich hat, dieselbe auch fast gar n»W empfundenwird.

100. Aber du wirst uns vielleicht hier vorwerf-fen, daß wir oben im ersten Capitel erwehnet, daßalle Bewegung entweder steigen oder fallen müs-se, und daß dannenhero Vie L.iebe zweyer tu-gendhaffcer Gemüther, rvenn sie ihreVollkommenheit erlanget, glcichfilllswieder abnehmen müsse. Nahme sie aberab, so wäre entweder diese Liebe ein vergebenesMittel zu der höchsten Glückseeligkeitzugelangen,oder es könne die Gemüths-Ruhe die höchsteGlückseligkeit nicht seyn, weil sie eine eitele Ein-

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