Liebe anderer Menschen überhaupt. 191
bin ich nicht tollkühne,sondern großmüthig. Wennich, um meinen Freunde gutes zu thun, nach Eh-ren trachte, bin ich nicht iLhrgeiyig, und wennich ihm zu Liebe hohe Ehren-Stellen ausschlage,kau man mich keines niederträchtigen Ge-müths beschuldigen. In der Liebe kommenalle Tugenden viel besser zusammen, als nachder gemeinen Rede in der Gerechtigkeit:. Al-zugerecht ist schon unvernünftig; Aber man kandes Guten so wenig als der vernünftigen Liebe zuviel thun. ,
65. Aber ich höre gleichsam vvn ferne einenHeuchler wider diesen unsern Lehr-Satz alsoseuftzen; Du elender Mensch, was gedenkestdu durch die vernünftige Liebe der Mensche»?die gröste Glückseeligkeit zu erlangen; Die blie-be GOttes ist die gröste Glückseeligkeit, undihr muß alle Liebe zu den Menschen aufgeopfertwerden, sie mag noch so vernünftig seyn als siewolle; Und wie wolte demnach die Liebe derMenschen der eintzige Weg zur Glückseeligkeitseyn?
66. Jedoch ist leichte hierauf zu antworten-Wie kömmt es doch, mein Freund, daß du dieLiebe GOltes, den du nicht siehest, so sehr imMunde führest, und doch die Liebe des Men-schen, der deiner Liebe täglich bedarf, gantz ausdeinem Hertzen verbannest. GOtt weiset dichnach dem Trieb natürlicher Vernunft an dieLiebe der Menschen, weil du nach deiner na-