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gewinn der Agioteure ist ganz unanfechtbar; auch war es denkbar, daßdie Konjunktur, welche diese Spekulation ermöglichte, lang dauernwürde, weil die Londoner Silberpreise stark im Sinken waren, undder Wechselkurs nicht in ausgleichendem Sinne sich änderte. Kurz,während früher die Silbergulden aus Osterreich hinausrollten,um in London als Platten verkauft zu werden, kamen jetzt vonLondon die Silberbarren nach Osterreich , um daselbst in öster-reichisches Geld verwandelt zu werden, da dies in Österreich ge-setzlich zu bestimmtem Satze immer noch möglich war. Ein er-laubtes Geschäft — vielleicht aber ein gemeinschädliches Geschäft!
In der Tat verbreitete sich sehr bald die Ansicht, daß diesGeschäft — die vorläufig unbegrenzte Einfuhr von billig an-gekauftem Silber, das stets zu 45 Gulden das Pfund feinin österreichisches Geld verwandelt werden konnte — gemein-schädlich sei. Die Vertreter der Quantitätstheorie begründetendies so: die Vorräte an österreichischem Gelde vermehren sichnun abermals, wie es seit 1866 durch Schaffung der Staats-noten geschehen war. Daher wird über kurz oder lang derWechselkurs sich ungünstig ändern, das heißt, es werden mehrGulden in Noten für 10 Pfund Sterling gegeben werden müssenals bisher. Das österreichische Geld wird, gegenüber dem eng-lischen, eine Einbuße am Kurs erleiden. Daher ist jenes Ge-schäft der Agioteure, wenn auch zivilrechtlich erlaubt, offenbargegen das öffentliche Interesse.
Wer hingegen diese Anschauung nicht teilt, der könnte sosagen: daß das Silber mit großem Vorteil für die Agioteurehereingebracht wird, hat zur Folge, daß diese Geschäftsleuteandauernd im größten Maßstabe englische Zahlungsmittel zuerwerben suchen gegen österreichische Noten; sie entschließen sichalso, innerhalb der Grenzen der Vorteilhaftigkeit, mehr öster-reichische Gulden für das Pfund Sterling zu bieten, als bisher.Also liegt hier ein Umstand vor, der den Kurs der Noten gegenenglisches Geld herabdrückt. Man beachte, daß hier nicht dieMenge des österreichischen Geldes an sich als Grund angegebenwird, sondern der Anreiz, englisches Geld anzuschaffen.
Knapp, Theorie des Geldes, 2. Aufl. 24