40 Drittes Kapitel.
freundliche und nationale Sinnesart bei den regierendenHäusern entschieden gegen die Zeit vor Gründung des Reichessich vermehrt und befestigt hat. Man könnte eine lange Ab-handlung darüber schreiben. Der Ursachen, die dazu beitrugenund bis auf den heutigen Tag dazu beitragen, sind einegroße Anzahl. Am stärksten hat mitgewirkt eine gewisse Be-ruhigung, welche über beide Teile gekommen ist. Die fürstlichenHäuser sehen sich weder von unten noch von oben in dem, wasihnen von Souveränität geblieben ist, bedroht, und die Be-völkerung ihrer Länder empfindet keinen Drang nach Veränderung,sieht auch keinen Gewinn dabei winken. Schon dieses Ruhe-gefühl bringt eine gegenseitige freundliche Meinnng zuwege.Sodann sind die großen Streitpunkte aus der Landespolitik indie Reichspolitik verlegt. Ferner hat die nationale Erziehungder Landesherren Fortschritte gemacht, einmal durch den modernenGeist überhaupt, sodauu eben durch die Einsicht, daß die Reichs-verfassung ihnen nicht an Kopf und Kragen will, so daß diebeste Bürgschaft ihrer Fortexistenz gerade in ihr liegt. KönigWilhelm und Fürst Bismarck haben das, jeder in seiner Weiseund aus den verschiedensten Gesichtswinkeln heraus, bei derGrundlegung der Reichsverfassung im Auge gehabt. Der Königaus dem Selbsterhaltungstrieb des Legitimitätsprinzips heraus,dem er allerdings nicht allzustarr anhing, als es nach Königgrätz galt, Hannover, Kurhessen und Nassau der preußischen Monarchieeinzuverleiben. Aber das Kriegsrecht gehört ja auch zumLegitimitätsprinzip. Wie der König sich znr Uebernahme derdeutschen Kaiserkrone stellte, ist noch nicht ganz aufzuhellen. Soviel scheint gewiß und auch innerlich wahrscheinlich, daß er derForm nach den Schritt jedenfalls von der Einwilligung derLandesfürsten abhängig machte. Man weiß aus der Anekdoten-geschichte der Versailler Zeit, mit welchem Humor die Findigkeitdes Bismarckschen Ingeniums die Zustimmung Ludwigs vonBayern nach langen Schwierigkeiten herbeigeschafft hat. Dagegensoll, nach einer von Bismarck selbst herrührenden Version, derKönig mit dem Titel „Deutscher Kaiser" nicht zufrieden gewesensein. Sein Sinn ging mehr auf Kaiser von Deutschland odermindestens Kaiser der Deutschen. Der obenerwähnten Version