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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Drittes Kapitel.

für die Richtigkeit dieser Konsequenz plädierte. Sein Gefühlsagte ihm nichts bestimmtes in diesen Dingen, sei es, weil sie über-haupt an und für sich ihm kein sachliches Interesse einflößten, seies, weil er an ihrer Mannigfaltigkeit, je nach Orts- und Landes-sitte, keinen Austoß nahm. Damit hing auch z. B. zusammen,daß er sich sür die Verlegung des Reichsgerichtes uach Leipzigentschied. Für ihu war gewiß die Rücksicht uicht maßgebend,welche so viele Liberale bewog, gegen Berlin zu stimmen, nämlichdie Annahme, daß ein oberster Gerichtshof abseits der Residenzund der Zentralgewalt unabhängiger im Geiste sein werde. Ihmschien nur die Gelegenheit gnt, dem Königreich Sachsen ein Kom-pliment zn machen, welches der Krone Preußens kein Opferkostete. Nebenher soll noch mitgespielt haben, daß die Ansamm-lung einer großen Anzahl hoher Richter in Berlin diesen eineErleichterung gewährt hätte, um ohne besonderen Aufwand Mit-glieder des Reichstags zu werden. Und ein Zuwachs an Juristendieser Art schieu ihm nicht gerade wünschenswert. Anch kannteer seine Deutschen so gnt, daß er seine Rechnung viel sicherermit ihren partiknlaristischen Instinkten zu finden gewiß war, alsmit uuitarifcheu. Die Art, wie er Bayern , nicht bloß dem König,sondern auch dem bayrischen Staatsbewußtsein bei jeder Gelegen-heit den Hof machte, beruhte auf der wohlerwogenen Erkenntnisdieses deutschen im Grunde unpolitischen Charakterzugs.In verjüngtem Maaßstab hielt er diese Linie mit den anderenKleinstaaten ein. Selbst Hamburg wurde, nachdem es bei eiuemkurzeu Versuch der Auflehnung ans Anlaß des Zollanschlussesterrorisiert worden war, wieder zärtlich behandelt und nach dem ersten,durch den heilsamen Schreck erzielten Schritt unterwürfigen Ent-gegenkommens sofort mit reichen Schmerzensgeldern bedacht undimmer mehr dann zum Liebkind erwählt. Gehorsame, zitternde klein-staatliche Regierungen entsprachen am vollständigsten seinem Systemdes national geeinigten Deutschlands . Deswegen pflegte er anchbei allen Gelegenheiten, wo er im Reichstag ans Widerstandstieß, die nationale Gesinnung der Regierungen herauszustreichennnd die Opposition der auseinanderstrebenden Tendenzen anzu-klagen. Wollte einmal in der Sphäre der Einzelregierungen sichEiner ein Mannsen fühlen, so bekam er sofort einen Denkzettel,