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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Drittes Kapitel.

Ja es scheint, als wolle sich ähnliches wiederholen andem ganz entgegengesetzten Ende politischer Gestaltung, aus demGebiete der sozialistischen Triebkräfte, und zwar ohne Unterschiedzwischen den vom Staat ausgehenden in regelmäßige Gesetzesformgebrachten Neuerungen bis in die äußersten Regionen sozial-demokratischen Begehrens hinaus. Ohne Zweifel ist auch geradedieses Element des Gesamtlebens am wenigsten dazu geeignet,hinter den Schlagbäumen der Landesherrlichkeiten stehen zu bleiben.Schon daß der Sozialismus überhaupt nicht in der Vergangenheitwurzelt, entzieht ihm den Vorwand zur Einkapseluug in die ab-gesonderten, vom historischen Zufall geschaffenen Fürstendomänen.Die Sozialdemokratie im vollen Sinne des Wortes ist sogarkosmopolitisch, überspringt anch die Grenzen des Nationalstaates,wie viel mehr die der Partiknlarstaaten. Der offiziell anerkannteStaatssozialismus, welcher mit der Sozialdemokratie gemeinsameWurzeln hat, ist eben darnm auch am wenigsten in der Scheuder unitarischen Entfaltnng befangen.

Es ist ganz interessant, daß diejenigen Zweige politischenBerufs, zu welchen die deutsche Nation neuerer Zeit am meistenAnlagen gezeigt hat, anch die sind, welche sie aus den Schrankendes kleiuseligen historischen Vegetierens uud Seutimentalisiereusin die freie Luft des unitarischen Großstaatswesens hinüberleiten.Vielleicht sogar könnte man den Gedanken noch weiter ausspinnen,indem man die innere Verwandtschaft zwischen Militarismus undSozialismus zum Gegenstand der Untersuchung machte. Dasaber ginge nun wirklich über das Maß der berechtigten Ab-schweifung von meinem Vorsatz hinaus, und ich nehme daherden Faden meiner Erzählung da wieder auf, wo ich ihn seitwärtszn spiuuen begonnen hatte, von dem persönlichen Kampf derMainzer republikanischen Unitarier gegen die hessendarmstädtischeRegierung.

Mein hochverräterischer Artikel im ersten vergrößerten Blattder Zeitung sollte die Gegensätze alsbald in Helles Licht setzen.Das neugeschaffene Darmstädter Ministerium Gagern hatte sichmit eiuem Stab liberaler Männer nmgeben, an deren Spitzeals Präsident des Staatsraths ein biederer älterer Beamter,namens Janp, berufen ward, der, obwohl der rechtsrheinischen