Druckschrift 
Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
Seite
50
Einzelbild herunterladen
 
  

50

Drittes Kapitel.

diese einige Tage lang ihren Dienst ausgeben mußten, und nunkonnte man das erhebende Schauspiel mit ansehen, wie unter demJubel der Uferbevölkerung die Männer sich an die erobertenSchiffe anspannten, das Halfter über die Schulter gezogen, sieim Triumph den Rheiu entlang wieder aufwärts schleppten. Unddies geschah in einer Provinz, die seit einem halben Jahrhundertkeine Spur von Zunftzwang mehr gekannt hatte, in der damalsviel mehr Gewerbefreiheit herrschte, als hentigestags nach derReichsgewerbeordnung.

Natürlich konnte der Unsng ans die Länge nicht geduldetwerden, und so wurde die neu gebildete Bürgerwehr aufgeboten,um, mit ihren eben empfangenen Flinten bewaffnet, die Ordnungwieder herzustellen.

Der Tag gehört zu den unvergeßlichen in meinen Erinne-rungen, weil ich hier, noch mehr als bei der Zerstörung der Eisen-bahn, inne werden sollte, wie schwer der Kampf mit der wirtschaft-lichen Unvernunft ist.

Als ich ans Ufer kam, war der Konflikt gerade auf seinemHöhepunkt. Die Fähranzieher hatten sich wieder eines Schiffesbemächtigt, und da sie auf Zureden es nicht freigeben wollten,ward befohlen, sie auseinander zu treiben. Aber große Teile derBürgerwehr waren dazu gar nicht zu haben. Als Zuschauer einersolchen Szene der Weigerung mischte ich mich selbst in das Ge-dränge nnd stellte einige der Mannschaft, behäbige Bürger, zurRede. Wie erstannte ich, als ich von ihnen hörte, daß sie fürdie Anzugreifenden Partei nahmen und mir erklärten, die Leutehätten ganz recht. Und als der handgreifliche Widerstand endlichdoch ohne Blutvergießen beseitigt war, gab es noch eine langeFehde, bei welcher das Recht auf Schiffziehen seine beredten Ver-teidiger sand.

Ein angesehener Kaufmann, den sein Geschäft in enger Ver-bindung mit der Schiffahrt hielt, erließ einen Aufruf an dieBürger von Mainz mit der AnredeBrüder!", welcher mit denWorten begann:Die heldenmütige Bürgerschaft von Mainz nndder Umgebung hat wieder ihr altes Panier entfaltet, das Panierder Zivilisation, des Fortschritts, welches sie sonst weithin lenchten