Print 
Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Place and Date of Creation
Page
49
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

Journalist und Vvlksredner.

49

Teil des Mainz gegenüberliegenden Städtchens Kastel ernährte.Der Kasteler Kntscher war eine typische Gestalt. Sein Fuhrwerkwar meistens von ziemlich geringer Beschaffenheit, die Bespannungdesgleichen und der Rosselenker entsprach dem übrigen. Obwohldie Taunusbahn von Wiesbaden-Kastel bis Frankfurt schon seitdem Jahre 1840 im Gange war, hatte sich der Grimm dieserZunft gegen die boshafte Neuerung noch nicht verloren, und aneinem Morgen der ersten schönen Freiheitstage erfuhren dieMainzer, daß die Kasteler Kutscher die Schienen der Eisenbahnaufgerissen hatten. Es war in der That für mein, den nenenGeist der Zeiten so lebhaft begrüßendes Gemüt ein schmerzlicherEindruck, als ich über die Brücke gelangte, und das Schauspiel miteigenen Augen wahrnahm, das übrigens rasch beseitigt wurde.Viel beschwerlicher wurde der Kamps mit einer ähnlichen Auf-lehnung am diesseitigen Ufer des Rheins längs der Stadt selbst.

Der Teil der Bevölkerung, welcher von der durch die Schiff-fahrt bedingten Handlangerarbeit lebte, galt von jeher für be-sonders rauh, wild und gefährlich. Es war ein derber und vor-witziger Schlag handfester Männer und Frauen, auch letztere oftvon gewaltiger Körpergestalt, die man gewohnt war, mit schwersten,schwebend aus dem Kops getragenen Lasten zugleich an einemStrickstrnmps arbeitend, daher wandeln zu sehen. Die Elite dieserTruppen wurde mit dem eigentümlichen NamenSchlewitze"bezeichnet, und man hütete sich, mit ihnen in nähere Berührungzu kommen. Ein Teil dieser Bevölkerung hatte früher den Beruf,die Segelschiffe, welche deu Rhein herauf kamen und an derStadt vorüber weiter aufwärts gingen, zu Fuße an langen Tauenweiter zu ziehen, bis jenseits der städtischen Ufergrenze die Beförde-rung wieder der Pferdebespannung überliefert wurde, welchean der Nordseite abgekoppelt worden war. Die Leute nanntensich Fähranzieher, was aber in der volkstümlichen Etymologieals von Voranziehen abgeleitet, verstanden ward. Ihnen wardurch die Dampfschleppschiffahrt, die damals in ihren Ansängenstand, das Handwerk verdorben worden. Und auch das galt füreine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die im Namen der siegreichenFreiheit ausgerottet werden müsse. Die Fähranzieher brachtenes durch Angriffe ans die Nemorqnenre wirklich so weit, daß

Bambergers Erinnerungen, ^