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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Journalist und Volksredner,

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erzielen, ohne in eine ungeahnte Falle zu treten, dann fühlt manein Gebot, sich während des Sprechens zu einer Aufmerksamkeitaus Vermeidung solcher Fehler zn konzentrieren, welche mit demDrang des lebhaft pochenden Mitteilungsbedürfnisses sich ingleichem Tempo zu bewege» hat. Das ist für den Redner, welchemdas Gelingen nicht gleichgültig ist, und der die Tücken des Ge-schäftes kennt, die schwierige Kombination zweier ganz entgegen-gesetzter Bewegungen. Redner extremer Parteien haben darineinen Vorteil. Das Heftige hat au sich schon eine Plastik, diefür starke Wirkuug sorgt, uud die Gewißheit, Anstoß und Wider-spruch zu erregen, giebt im voraus einen Pauzer gegen alle An-fechtungen.

Man erzählt, daß die alten Soldaten die Gefahren desKrieges mit der Zeit immer mehr scheuen, weil sie sie immermehr kennen lernen. Etwas ähnliches mag alten Parlamentariernbegegnen. Wenigstens entspricht das meiner Selbstbeobachtung.Ich kann sagen, daß ich zu keiner Zeit, weder im Ansang nochspäter ein schüchterner oder verlegner Redner gewesen bin, ichbin auch nie aus dem Konzept gekommen; aber in den Ansängenmeiner oratorischen Praxis, während des ganzen Jahres 1848und in dem ersten Abschnitt der mit 1863 beginnenden Periodebin ich doch viel dreister und unbefangener mit dem öffentlichenWort draus los gegangen als später. Bei der Eroberung fremderSprachen kann man etwas Analoges an sich erleben. So langeman in die Feinheiten nicht eingedrungen ist, geht es flott vor-wärts. Ist man aber einmal tief eingedrungen, so kennt mandie Menge der Fehler, die zu vermeiden sind, und stürmt wenigervoran. So auch lernen ungebildete Menschen, wenn sie sich imfremden Lande aushalten, dessen Sprache schneller und sichererparlieren als Gebildete. In allen schwierigen Aufgaben bestehtdie richtige Lösung des Problems darin, das erforderliche Maßvon Selbstvertrauen mit dem erforderlichen Maß von Selbst-kontrolle und Selbstkritik zu paaren.

Jeder Mensch hat seine eigne Art, sich zu waschen; so auchjeder eine andere, seine Reden vorzubereiten. Mir ist es nie ge-lungen, eine im voraus schriftlich auszuarbeiten, obwohl ich eseinigemale bei wichtigen Anlässen ernstlich versucht hatte, weil