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Drittes Knpitel.
ich nichts dem Zufall, der Improvisation überlassen wollte. Esging eben einfach nicht, nach den ersten Sätzen versagte mir dieGeduld, an der es mir sonst nicht fehlte. Ich habe mich daherausnahmslos begnügt, wenn überhaupt die Umstände Vorbereitunggeboten, einen Gedankengang in ganz knappen Stichworten zuentwerfen, bald sorgfältiger, bald sorgloser, je nach der Wichtigkeitdes Anlasses und des Auditoriums.
Meine Methode der Vorbereitung war von Anfang meinerPraxis bis znm Ende die folgende. Ich legte ein Blatt vor michhin und warf ohne Besinnen alle Gedanken, Daten, Einfälle, diesich auf mein Thema bezogen aufs Papier in buuter Reihe nieder.Hatte ich eine geraume Zeit damit verbracht uud das Gefühl,daß ich allen zur Sache gehörigen Vorrat ans dem Gehirn oderaus deu Hilfsquellen herausgezogen, so fing ich au, Ordnung inden Haufen zu bringen. Ich gab mir zunächst von ungefährRechenschaft von der Reihenfolge, in welcher die Hauptgesichts-punkte auseinander zu entwickeln seien, nnd gab jedem Gesichts-punkt eine Nnmmer. Mit diesem Schema im Kopf nummerierteich dann die betreffenden Stellen, nnd danach stellte ich alleunter die Rubrik derselben Ziffer gehörenden Notizen zu einander.Damit war das Skelett der Rede in der Hauptsache ausgebaut.Besondere Aufmerksamkeit ward hierauf den Eingangs- und denSchlußworte» gewidmet. Beide sind für den Erfolg besonderswichtig; der Schluß noch mehr als der Eingang. Es ist möglich,ganz unbedeutend anzufangen und doch Glück zu haben. Abereiu unbedeutender Schluß ist immer ein Unglück. Eine anderemit dem Schluß verbundene Gefahr besteht darin, daß er zuwiederholten Malen kommt. Es giebt viele Redner, welche dieleidige Gewohnheit haben, nicht mit dem Schluß schließen zukönnen. Der Hörer glanbt an einer gewissen Stelle, nach Formund Inhalt, auch nach dem Tonfall des Vortrages, am Endedieses Satzes werde der Redner sich triumphierend niedersetzen.Aber bewahre! Der Redner nimmt nun einen neuen Anlauf, umwieder einen Schluß, der es doch nicht ist, an dessen Ende zusetzen. Ich könnte aus dem deutschen Reichstag ein paar Rednernennen, die mich, so oft sie sprachen, durch diese Gewohnheit, dieihnen selbst am meisten schadete, znr Verzweiflung brachten. Sie