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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Journalist und Volksredner.

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Reden war mir allmählich langweilig und lästig geworden. Dasist schon deutlich zwischen den Zeilen meines hier oben erwähntenSchreibens au meine Zeitung zu leseu. Ich machte mir meineeigene Art zurecht, die mehr räsonnierend als reproduzierend war,mehr Kopfarbeit und weniger mechanische.

So schrieb ich auch am 23. Juni wieder einen Bericht, indem ich der Hauptsache nach folgendes bemerkte: Eigentlich seider Streit um die Form einer nur für diesmal provisorisch ein-zusetzenden Zentralgewalt viel zu sehr ausgesponnen, aber that-sächlich handle es sich dabei für immer um das Priuzip, obVolkssouveränität oder Fürstenautorität, und darum werde derKampf so hartnäckig geführt, zugleich aber ohne Aufrichtigkeit,weil von beiden Seiten mit dem Gegensatz der Prinzipien nichtoffen vorgegangen werde. Hier heißt es u. a.:

Die Rechte streitet für die Anerkennung als selbstberechtigt, die Linkedagegen; die Rechte streitet außerdem für den Kultus der konstitutionellenMonarchie (das nannte man damals rechts) in allen Sphären, dieLinke für die Einführung der Republik , wenigstens in dem Ausdruckder Staatenföderation. Dies sind die Zielpunkte. Was sonst in derDiskussion vorgebracht wird, sind mir Mittel, durch Nebengründe zubestimmen. Die einen^ weisen aus den Konflikt hin, der mit demVolke zu erwarten steht, wenn man dessen Souveränität verleugnete,die andern auf den Konflikt mit den Fürsten und dem fürstlichenAnhang, wenn man diese Kaste hintansetzt; die sagen: nur die volks-tümliche, jene: nur die fürstenprotegierte Gewalt werde stark sein;

alle wiederholen: Das Baterland sei in Gefahr Hervorstehende

Gesichtspunkte aus den einzelnen Reden wüßte ich bis jetzt keine außer-dem auszuführen'; nur einzelne hervorstehende Wirkungen durch in-dividuelle Behandlung. Sie werden aus den vorletzten Sitzungen vielüber Jordans und noch mehr über Vinckes Reden gehört haben. Ichmuß gestehen, daß ich beide für sehr unglückliche Behandlungen desGegenstandes halte. Jordan*) sagte viel Geistreiches gelegentlich derZentralgewalt, aber daß er dialektisch eine Meinung vertreten habe, kannman nicht sagen. Künstlerisch, schriftstellerisch ist das berechtigt, aber ineiner so rein dem Zweck gewidmeten Sphäre, wie ein politischesKollegium, muß diese geistreiche Ergehuug unterdrückt werden. Außer-dem hat Jordan seine Rede mit Bildern und Gleichnissen überladen;

*) Wilhelm, später Marinerat der unglücklichen deutschen Flotte, Ver-fasser von Deminrgos.