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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Drittes Kapitel.

größten Schreckensszenen dieses Kampfes zwischen Proletariat undBürgertum eintrafen, saß ich mit Ludwig Feuerbach und FriedrichKapp iu dem von milder nächtlicher Sommerluft durchsäuseltenGarten der Maienlust. Die Schwere dieses Ereignisses lag dumpfaus unserem Gemüte. Wir fühlten, daß dort eine Entscheidungfallen werde, die verhängnisvoll eingreifen müsse in die Geschickeder französischen Revolution und damit in die ganze europäischeLage. Wir hatten ein deutliches Vorgefühl davon, daß hier einWendepunkt eingetreten sei für den ganzen Inhalt zukünftigerpolitischer Bewegungen; dasrote Gespenst", wie man es damalsnannte, die soziale Frage, hatte ihr Schwert in die Wagschaledes politischen Kampfes geworfen, um nicht mehr ans dem Kampfezu verschwinden und den Sieg der rein politischen Freiheit füralle Zeit zu erschweren, wenn nicht unmöglich zu macheu.

Lange in die Nacht hinein wandelten wir auf und ab.Fenerbach sprach wenig. Der Ernst des großen Rätsels, welchesin die Weltgeschichte mit diesem Ausstand eintrat, lag in seinenwenigen, in langen Pausen und kurzen Sätzen ausgesprochenenWorten. Er war überhaupt kein Mensch der fließenden Unter-haltung, zuweilen sogar auffallend stumm. Sein Aussehen ver-riet nicht entfernt den großen Denker. Als ich ihn zum ersten-mal sah, hielt ich ihn für einen bayerischen Feldwebel in Zivil.

Wenige Tage vorher hatte ich selbst Gelegenheit, mit demKern der künftigen, ausschließlich sozialistischen, Bewegung inDeutschland in nähere Berührung zu kommen. Um die MitteJnni war in Frankfurt a. M. ein demokratischer Kongreßzusammengetreten. Er war ohne besondere Formalitäten aus-geschrieben und gewählt, aus beliebigen Delegationen uudpersönlichen Anmeldungen hervorgegangen. Hier zum erstenMale kam mir der scharfe Unterschied zum Bewußtsein, welcherdie bis dahin gemeinsamen radikalen, republikanischen Ansichtenvon den rein sozialistischen schied und für die Zukunft immermehr scheiden sollte. Diese Entdeckung war überraschend undpeinlich zugleich für mich. Ich entsinne mich noch höchst deutlichdes Mißgefühls, mit dem sie mich erfüllte. Auch finde ich in demkurzen Bericht, den ich über die erste Sitzung, der ich als Mit-glied beiwohnte, meiner Zeitnng gab, diese meine Stimmung