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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Journalist und Volksredner.

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Ich kann sehr gut begreifen, daß die weibliche Natur früher einenWiderwillen gegen das politische Leben empfinden mußte, daß man ihrempfahl, sich davon fern zu halten. Das öffentliche Leben war unschön,weil es gar kein öffentliches war. Das ganze Treiben im Staate warja bloß die Thätigkeit einer Maschine, die von einzelnen in Bewegunggesetzt, von audereu etwa gehemmt wurde. An die Maschine gehört dieFrau allerdings nicht, aber wenn das politische Leben erst die Weiseder Volkstümlichkeit, der Massenbewegung, des Denkens und Handelnsin Gemeinschaft angenommen hat, mit einem Worte, in der Demokratie,wird es sich auch erhaben, lebendig, gestaltenvoll entwickeln und wahrerSchönheit fähig sein. Ans der entgegengesetzten Einseitigkeit desklassischen Altertums mögen Sie die Möglichkeit erkennen, die beidenGegensätze zu einem höheren Ganzen zu vereinigen. Dort war, wiebei nus bisher das politische, so damals das Familienleben zur bloßenZweckmäßigkeit erniedrigt. Der Mann lebte eigentlich ans dem Markte.Das Leben und die Litteratur kannten das große Feld unserer herrlichenRomantik kaum. Damals hätten die, welche heute das Weib vor demöffentlichen Lebeu schützen wollen, vielleicht gesagt: der Mann werde mitseiner Politik, mit seinem Sinn für den Staat untergehen, wenn er sichmehr in das Familienleben hineinbegebe. Nuu, wir haben die Formdes gesellschaftlichen, des Familienlebens so gewaltig in der christlichenWelt entwickelt, und ich denke nicht, daß wir uns für den Staat ver-dorben haben.

Ja, der Eintritt in das öffentliche Leben möchte auch noch ein Raubam Gefühle gewesen sein, als der ganze Inhalt unseres StaatsbegriffeSbloß in der Autorität, oder in der Brutalität, in der geistigen oder inder physischen Tyrannei aufging, als Recht und Politik auf Gebotegegründet werden sollten, deren Quelle man nicht in der menschlichenNatnr, nicht in der menschlichen Brnst suchen durfte. Aber auch dieserZustaud fällt natürlich mit der Demokratie. Welches ist die Voraus-setzung unserer Politik, uuferes Rechtes? Einzig und allein dashöchste aller Gefühle: die Humanität. Nehmen Sie ' uns diese Quelledes Rechtes, der ganzen Staatseinrichtuug, und wir wissen gar nicht,auf welche Gruudfesten wir den Bau des demokratischen Staates auf-führen sollen. Also das Gefühl, das Gefühl in seiner höchsten Ent-wicklung, ist die Seele unseres ganzen Strebens. Welcher Widersinn,mit dem Rechte des Gefühles gegen die Teilnahme der Frauen an derdemokratischen Bestrebung streiten zu wollen!

Es versteht sich bei allem, was ich hier gesagt habe, so sehr, daß ichunter einer gleichmäßigen Beteiligung beider Geschlechter am öffent-lichen Leben nicht eine gleiche Beteiligung verstehe, daß ich durch eineweitere Erwähnung dieses Vorbehaltes mich lächerlich zu machenfürchten müßte. Wer wird Unterschiede, die in der Natnr vorhanden