Journalist und Volksredner.
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Da meine Fahrt nach Frankfurt , bei der mich nur das un-bestimmte Bedürfnis geleitet hatte, an Ort und Stelle der Be-gebenheit Augenzeuge zu sein, zu Wasser geworden war, so begab ichmich in die Redaktion der Zeitung, wo wir natürlich den Tag inbanger, erregter Stimmung verbrachten.
Schon auf ein erstes Signal hin waren Truppen von derBesatzung nach Frankfurt abgegangen, und es lag anf der Hand,daß die gauz aussichtslose Erhebung ein klägliches und verderb-liches Ende uehmeu müßte.
Am Abend versammelte sich eine Anzahl der demokratischenFührer iu einem Wirtslokal, wo wir unser Hauptquartier aus-geschlagen hatteu. Es hieß „Zum Hahuer Hof" und eignete sichbesonders deshalb zu unserm Zweck, weil die vom Land in die Stadtkommenden Bauersleute hier mit ihren Fuhrwerken einkehrten unddadurch der Verkehr mit der Provinz in täglichem Gang erhaltenwerden konnte. Der Wirt hieß Cathiau und stammte aus fran-zösischem Blut. Er, wie seine Frau und seine Töchter, warensenrige Anhänger der Demokratie; der weibliche Teil des Hausesmit Schönheit und Verstand geziert. Es war nicht das Interessedes Erwerbs, das die Familie zur Sache begeisterte, sondernwirklich demokratisches Temperament.
Als ich zwanzig Jahre später wieder nach Mainz kam, machtees mir Freude, den überlebenden weiblichen Teil, Mntter undverheiratete Töchter, aufzusuchen, und die alte Anhänglichkeitund Sinnesart unverwüstlich wiederzufinden. Das war keine Aus-nahme. Es war damals außerordentlich viel wirkliche Begeisterungund lebendige Hingabe an die Sache der Freiheit im° mittlerenuud kleinen Bürger- und Bauernstande bei uns vorhanden.
Als wir nun an jenem Abend am langen Tisch der mäßigerleuchteten Gaststnbe versammelt waren, erschienen plötzlich, voneinigen unserer näheren Bekannten geführt, einige Unbekannte indüstrer Aufgeregtheit. Zwei davon hatten den Schauerszenen derErmordung des Fürsten Lichnowski und des Herrn von Auers-wald iu Frankfurt beigewohnt. Einer zeigte als Trophäe einStück Tuch, als vom Rocke Lichnowskis herrührend, und erzähltein wilden Worten den Hergang. Es war ein Privatlehrer ans
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