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Drittes Kapitel.
die Demokratie gefesselt worden, um die Redaktion noch denFamilienverhältnissen des Verlegers unterordnen zu können.
In der Nummer vom 30. September brachte ich einen Leitartikelfolgenden Inhalts: „Die letzte Probe; Eiue Denkschrift allen altenLiberalen und insbesondere dem Herrn Minister Jaup gewidmet".Darin hielt ich den ehrwürdigen Herren ihr ganzes Sündenregistervor und appellierte zum Schluß noch einmal an Jaup, endlicheinmal mit einer freien Verfassung ernst zu machen. Da hieß es:„An Sie, Herr Zaup, ergeht darum nochmals der Ruf, endlich einewahre demokratische Vertretung des Landes ins Leben zu führen, damitendlich Gesetze geschaffen werden, die konstitutionelle Freiheit des Landeszu schützen. An Sie, Herr Minister, ergeht vor allem der Ruf, endlichdie Redlichkeit Ihrer Absichten zu beweisen. Sie hatten einen populärenNamen; diesem populären Namen verdanken Sie die Stelle, welche Sieheute bekleiden. Ihre Popularität selber aber verdanken Sie nicht so-wohl großen politischen Eigenschaften, als einem allgemeinen Vertrauenin die Unbescholtenheit Ihres Charakters. Das Volk liebte Sie, weiles in Ihnen einen wackeren, am Rechte haltenden Biedermann sah.Seitdem Sie Minister sind, ist auch Ihr Charakter nicht von Verdachtund Anfeindung verschont geblieben. Jetzt ist der letzte Augenblick ge-kommen, wo es sich zeigen muß, ob Sie es mit der Freiheit ehrlichmeinen."
Neben der Polemik gegen den darmstädtischen Minister gingdie gegen Herrn von Gagern nnd die Mehrheit der FrankfurterVersammlung crescendo weiter. Der Zuwachs an Mitgliedernim demokratischen Verein, die demokratischen Feierlichkeiten, Ein-weihung von Turnerfahnen und dergleichen in den Dörfern, unterBeteiligung von Frauen und Mädchen, nahmen ihren Fortgang.
Schütz, welcher erster Vorsitzender unseres Vereins war, gabvon Brüssel aus in der Zeitung eine Erklärung ab, daß er bereitsei, sich zu stellen, wenn gegen ihn vor Geschworenen verhandeltwerden sollte. Dnrch seinen Abgang fiel mir die Hauptlast sowohlim Verein als in der Zeitung zu. Selbst in den aufgeregtenTagen meiner ersten Redaktionszeit war der Tumult der Be-schäftigung mir nicht in solchem Maße über den Kopf gewachsen.Daher war es mir sehr willkommen, daß auf Ende Oktober einezweite Tagung des demokratischen Kongresses nach Berlin aus-geschrieben wurde, und der Verein mich für „Rheinhessen undKreuznach" delegierte.