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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Drittes Kapitel.

haben, in welcher ferner Österreich mit Deutschland zu leben bestimmtist. Wollen unsere Leser, daß wir hieran Betrachtungen knüpfen?Unsere Betrachtungen liegen in allem, was wir seit zehn Mvuatengesagt haben. Wir haben Recht behalten, leider Recht behalten mitnnferen Warnungen. Hätte uns doch diesmal der Erfolg Lügen gestraft!Die Hoffnung war einen Augenblick in uns aufgegangen, daß wirheute sagen könnten: Gottlob, wir haben uns betrogen, man hat wirklichdie Freiheit erschlagen, weil man den Schatten einer Einheit am Lebenerhalten will. Wir haben Recht behalten. Das Ende vom Liede istda. Die deutsche Einheit hat ihren Dienst gethan: die Freiheit istgemordet; nun deutsche Einheit, letzter Schein der Deutschen Einheit hebedich weg! Das also ist das Werk des deutschen Parlaments; wir sindum ein Stück ärmer als zuvor; wir sind kleiner, als uns der Bundes-tag verlassen hatte .... Jetzt stellt man sich hin und spielt den welt-weisen Politiker und deduziert aus den Eingeweiden der Erde heraus,daß alles so sein müsse. Habt Ihr auch das gewußt, als Ihr denReichsverweser machtet? Hat es der große Ministerpräsident gewußt,als ermit kühnem Griff" den Erzherzog herbeiholte? Hat er damalsgesagt: Ich hole den Reichsverweser, aber ich werde ihn im Jannarwieder laufen lassen? Hat er gesagt: meinkühner Griff" ist mir einprovisorischer, und in sechs Monaten werde ich die Hand wieder öffnenund das Gegriffene fahren lassen? Und als er die gloriosen Briefe vonLinz und Wien verlas, von dem schwarz-rot-goldnen Jubel, hat erdamals gesagt: die goldenen Hofkarossen, in denen man die Deputationabgeholt, sind nur provisorisch? Und als man sich in derMaienlust"weinselig in den Armen lag, als Jordan und Lichnowski den Landes-vater sangen, als man den Rhein heruntertriumphierte und der Gürzeuichvon Einheitschampagner überfloß alles nur provisorisch? Uud dergroße Politiker des Jahrhunderts, der deutsche Mann, der edle Mann-der offene Mann, der einfache Mann, der hat damals schon gewnßt,daß nach sechs Monaten Erzherzog nnd Oesterreicher uud Wien nndLinz und Don an und schwarz-gelb-rot-gold, daß das lanter Theater-kulissen seien, die man znr Ausschmückung des Belagernugözustaudesbrauchte und mit Neujahr in die Rumpelkammer werfen werde? Ogroßer Mann, das hast du gewußt und hast es still in deine edle Brustgeschlossen? Und wie du alle die geschwenkten Taschentücher undgefüllten Gläser, den Jubel des uuschuldigeu Volkes uud die Redendes Reichsverwefers und die Tedenms der kölnischen Christenheit mitangesehen, da hast dn still in der Seele für dich hingedacht:'s ist alleSprovisorisch, man mnß dem guten alten Mann uud deu gute» kleinenKindern ihre Freude lassen." Uud um sie nicht zn stören, hast dumitgeredet, mitgeweint und mitgetrunken? O großer Mann,edlerManu", o männlicher Manu, wie staune» wir dich an, daß du so un-