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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
Seite
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Sechstes Kapitel.

an dem sie ihrem Zwecke dienen sollen, aufwachsen läßt. Dannwerden sie aus solche Weise, daß sie ihren Weg sehen können, nacheinem anderen Ort gebracht. Dort steckt man ihnen die mitkleiner Schrift versehenen dünnen Zettel an eine bestimmte Stelleunter den Flügel und läßt sie fliegen. Sie kehren dann schnur-stracks nach ihrem heimischen Schlag zurück.

Zu meiner Zeit bediente man sich für diese Ausbildungder Eilwagen, Messagerien, auf deren Decke (Jmperiale) diedurchbrochenen Weidenkörbe mit den Tauben gesetzt wurden. Inbesonderen, wichtigen Fällen schickte man auch noch Stafetten,die mit untergelegten Postpferden im Galopp von einem Börsen-platz zum anderen ritten.

Wie hat sich das alles geändert!

Jetzt erhält jeder Bankier zu allen Stunden zahllose Tele-gramme aus allen Weltteilen. Es gab damals mehr Sensationund weniger Hetze in diesem Verkehr.

Gerade in diese Zeit meines Antwerpener Noviziats fälltübrigens die erste Eröffnung des elektrotelegraphischen Verkehrsfür das Publikum. Ich finde in meinen alten Briefen dasgenaue Datum, an dem dies in Belgien sich vollzog. Und dashängt so zusammen.

Der später berühmt gewordene Baron Reuter, nach demnoch heute die größte Telegraphenagentur genannt wird, hieltsich damals in Brüssel ans und bewarb sich für Belgien um dieKonzession, die die Grundlage seines großen Reichtums werdensollte. Er war gerade aus Rußland gekommen, wo er sich durchintelligente Dienste die Protektion eines großen Herrn er-worben hatte, aber es ging ihm doch noch recht kümmerlich. Ichsehe ihn noch, auch an recht lauen Tagen, in seinem schäbigenPelzrock umherlaufen. Freilich, er war betriebsam und klug, undes gelang ihm, die Agentur zu erhalten.

Unter den ersten Beamten, die er anstellte, war ein deutscherFlüchtling namens Saß, den ich kannte. Ein baumlanger Kerl,der gerne erzählte, wenn er in London an der Kaserne derHorss-ßuaräs vorüberging (für welche nur Riesengestalten an-genommen werden), so schauten sie mit Bosheit und Neid zu ihm