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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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68
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II. Die Klassiker.

prüfe, so ist er's mir auch. Das mag an uns liegen, die wir ineinem bewegteren Dasein hinleben, als es jener in Rom hatte; wir, diewir nicht, wie er, alle Abend im Caf6 um eiu paar Psenuigc Zahlen-lotto spielen oder uns Andersens Märchen vorlesen lassen könnenauch dieser war als Gesellschafter ein Langweiler ersten Ranges, wiemein Vater mir erzählte; es liegt an uns, die wir die Kunst inihrer Vielheit verstehen wollen; und ich besonders, der ich jahrelang,infolge meiner Studien im Geist des Barock und Rokoko heimisch war,der ich lieben lernte, was die Hellenisten wie das höllische Feuerflohen, der ich Schönheit an Dingen zu sehen beganu, die selbsthente noch zumeist Abscheu erweckeu, z. B. an Beruini wir alle,die Nervösen, wie die kunstgeschichtlich Verbildeten sind nicht dasrechte Publikum für Thorwaldsen. Er schnf eben ans seiner Zeitnnd für seiue Zeit: uicht für die Helden der napoleonischen Kriege;Politik ging ihn nichts an, so wenig wie Goethe; er schus für diegroße Gemeiude der in Schönheit Trunkenen, der Ästhetiker undGenußschwärmer, welche Zeit und Lnst hatten, sich ganz in dieKunst zu versenken, ihr das eigene Sein zu opsern. Wenn esauch bei nns noch altmodische Leute giebt, die sich sür Thorwaldseubegeisteru, weil sie uoch in seinen Idealen erzogen wurden soist doch die Begeisterung heute mir noch geschichtlich zn verstehen,wie es heute vielen die sür Bernini ist, zu Thorwaldsens Zeitjene für Rnbens oder Rembrandt den Kunstfreunden war vorbei!vorbei! Die Zeit stürzt alle Größe. Nicht weil sie wirklich besserwird, wie sie selbst stets glaubt; sondern nur weil sie auders wird.

In Rom aber thronte nach den Befreiungskriegen Corneliusueben Thorwaldseu als die Kapitoliuer, die um deu aus demKapitol wohnenden preußischen Gesandten Wilhelm von Humboldt Gescharteu, als die Häupter der deutscheu Kunst. Denn diese zogin ihre Verehrung den Dänen mit hinein. Sie beide gaben denGebildeten die Hoffnung, daß ihr großer Traum sich verwirklichenwerde: Die Auferstehung eines neuen hellenischen Zeitalters, einerWelt, in der nicht die Politik, der gesellschaftliche Kanipf, nichtKriege und Machtfragen die Geister beschäftigen, sondern ein reinästhetisches Dasein herrschen werde ewige Wonue iu Phidias ,Nasael, Cornelius uud Thorwaldsen.