Druckschrift 
Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
Entstehung
Seite
153
Einzelbild herunterladen
 
  

Runge.

153

Auflösung mit den Tages- und Jahreszeiten; das Ganze durchtränktvon einem weichen aber starken Zug frommen Christentums. Goethe,der ja sehr wohl wußte, daß die echte Lyrik nicht in der Klarheitihren Wert hat, sondern daß es in ihr ein unaufgeklärtes Dunkelgeben müsse, der oft genug sich darüber zu ärgern hatte, wenn dieKritik wissen wollte, wie das göttliche Weib mit dem aus Morgen-duft und Sonnenklarheit gewebten Schleier in der Zueignung denneigentlich heiße, erkannte Wohl, daß es sich hier um rein malerischsymbolische Werte handle; daß die Eigenheit, zu der Runge sichselbst durcharbeitete, erfreulich sei und daß man den Inhalt derBlätter nicht zu verstehen brauche, um sich doch in ihre geheimnis-voll anmutige Welt gern vertiefen zu können.

Anders die Romantiker. Tieck war in Dresden ein FreuudRunges geworden. Dagegen hatte dieser sich früh von denWeimarischen Kunstfreunden abgewendet, weil er erkannte, daß ihreArt, Aufgaben für die Kunst zu stellen, dieser nur schädlich sei.Erfindung in der Kunst müsse von innen kommen, man dürfe nichteinen Gedanken geben und dem Künstler zurufeu: Setze dich hiuund erfinde! Tieck schildert 1803 in seiner Novelle Eine Sommer-reise die Wirkung, welche die Dresdener Maler auf ihn machten:Jene religiöse Stimmung und Aufregung, die seit kurzem dieWelt wieder auf eigentümliche Weise zu beleben scheint, jene stilleWehmut sah er schon in Friedrichs sinnigen Landschaften. Erfühlte in diesen ein neues Frühlingsleben sich melden. Ganzgepackt aber ward er von Runge. Man sieht deutlich, daß Tieck mit diesem nicht auf den realistischen Kern das Hauptgewichtlegte, sondern daß beide den hieraus sich entwickelnden Mysti-zismus vor allem pflegten. Während die heutige Betrachtungvon Ruuges Schaffen vor allem in seinen Bildnissen die redlicheNatnrliebe, die sonnige Klarheit des Wandelns auf das Licht zuüberrascht, sah Tieck von all dem wenig; dafür aber um so mehreine geistige Vertiefung, die ihrem Wesen nach der kalten Allegori-siererei der Freunde der Antike widersprach. Er begegnete sich mitRnnge in den theosophischen Gedanken eines Jakob Böhme , und ausdiesen heraus in dem Wunsche, der einseitig antiken Bildung einchristlich germanisches Ideal, der Klarheit und Wisseusschaftlichkeit