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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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297
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Die Düsseldorfer n, ci.

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trat, war ich nicht wenig erstaunt, mich von deutscher Kunst um-geben zu sehen, im Führer zu lesen, daß die Namen ihrer Schöpfernicht nur in ihrem Heimatlande, sondern in der ganzen Welt be-kannt seien: Fortner, Fries, Siebertz n. a. Leider mußte ich meinemschottischen Begleiter gestehen, ich sei unwissend genug, sie nicht zukennen, außer Max Ainmüller, dem Leiter der Müucheuer Glas-malerwerkstätte. Ebeuso in S. Paul zu London . Wurde doch auchder Düsseldorfer Carl Müller zur Ausmalung der Kathedrale vonMarseille berufen, gewiß eiu schöner Sieg deutscher Knnst, derdadurch nicht gemindert wird, daß der Krieg von 1870 die Aus-führung der gewaltigen Arbeit unmöglich machte.

In der Apollinariskirche bei Remageu wurde diese Kunstfertig, erlangte sie ihren Gipfelpunkt, der nicht mehr zu über-schreiten war. In der jüngst erschienenen Lebensbeschreibung CarlMüllers ist ein gutes Bild von der Schaffensart der dort Ver-einten gegeben: Deger, Jttenbach, die Müller. Wie sie ans ihrenGerüsten saßen, emsig arbeitend, emsig bemüht durch fleißiges Natur-studium ihr Können zu erweitern; wie sie, durch Rat sich stützend,ganz in die Größe der Aufgabe vertieft, nicht an eigenen Ruhmdachten, sondern an die große Verantwortung, die sie vor Gott trugen; wie sie sich durch mehrstimmigen Gesang anfeuerten siesangen die alteu, feierlichen Weisen Palesrrinas das allesbringt die Männer jedem Fühlenden nahe. Es ist viel gesündigtworden in Heiligenbildern, viel auf dem Markt spekuliert und mitzum Himmel gedrehten Angen geheuchelt worden in Form undFarbe. Aber diese Vier und viele mit ihnen waren echt nnd wahr.Wohl sahen sie in der Religion vor allem ein Gefühl, eine mehrweibliche Empfindung, der die Kraft Angst bereitete; das Leidenerschien ihnen als göttlicher Beruf, über ihre Bilder kam damit einefrauenhafte Weichheit, ein Sammetglanz. Aber trotz allein Idealis-mus wurden sie das Modell nicht los, vielmehr erkennt man immerwieder den Dienstmann, der ihnen zum Vorbild diente; der ÜbergußauHöherem", den er im Bilde erhielt, bröckelte rasch vor der Zeitab und nun sieht dem Beschauer der Zwiespalt, aus dem ihrSchaffen hervorging, erkältend entgegen. All das war Wirkung derZeit, der Schule, die aus ihuen sprach: war zu stark, als daß sie