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Aus dem Leben eines deutschen Bibliothekars : Erinnerungen und biographische Aufsätze / von Otto Hartwig. [Hrsg.: Erich Liesegang]
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2. Zur Erinnerung an Louise von Francois/

Am Morgen des 28. Septembers des Jahres bewegte sich durch die Straßen der Stadt Weißenfels a. S. ein unschein­barer Leichenzug. Zu beiden Seiten des mit Blumen und Palmen geschmückten Sarges schritten je drei Knaben, Kränze tragend. Ihnen folgten einige Wagen mit einem Geistlichen der Stadt, der den wenigen aus Wiesbaden , Jena, Berlin und Halle herbeigeeilten weiblichen Verwandten und Freun­dinnen der Verstorbenen das herrliche Bibelwort:Die Liebe höret nimmer aus!" in einfacher Rede nahe zu bringen und zu deuten versucht hatte. Jetzt gaben diese der teueren Ent­schlafenen das letzte Geleite. Ihnen hatten sich einige Orts­beamte, der Landrat des Kreises, der Oberbürgermeister der Stadt, der Arzt, der die Tote vorsorglichst behandelt hatte, angeschlossen. Tann folgte die Lehrerschaft von Weißenfels , welche gebeten hatte, die Leiche mit jenen sechs Schülern be­gleiten zu dürfen. Über den schon geräuschvollen Marktplatz bewegte sich der kleine Zug nach dem (neuen) Friedhofe der Stadt. Nachdem das liturgische Gebet verlesen und der Segen gesprochen war, wurde der Sarg dem Schoße der Erde über­geben. Armes Volk, das die zur ewigen Ruhe Gebettete bei bescheidenen Einnahmen doch ausgiebig unterstützt hatte, weinte der Wohltäterin bittere Tränen nach.

So ist Louise von Frau?ois, eine der besten, wenn nicht, neben Marie von Ebner -Eschcnbach, die beste der erzählenden Dichterinnen deutscher Zunge aus der zweiten Hälfte unseres

1) Deutsche Rundschau. Band 77 (1803) S. 466 ff.