3. Kurhessische Erinnerungen?)
i.
Der Zufall hatte es gefügt, daß ich im Mai 1860 fast gleichzeitig mit Garibaldi in Sizilien aus Land stieg. Obwohl ich mich vorher durch Lektüre und mündliche Berichte über die Zustände Unteritaliens und Siziliens im allgemeinen unterrichtet hatte, so sah ich mich doch, nachdem ich mich nur ein wenig orientiert hatte, in Messina nicht nur ganz neuen, sondern völlig ungeahnten und bis dahin von mir nicht für möglich gehaltenen Verhältnissen gegenüber. Vor meinen Augen brach ein altes, nicht unbedeutendes Staatswescn, das ein Landhcer von über 100 000 Mann, eine Kriegsflotte und gute Finanzen besaß, vor dem Ansturm einer wenig disziplinierten und mit keineswegs ausgezeichneten Waffen ausgerüsteten Freischar ehrlos zusammen. Das war nur möglich geworden, weil alle Kräfte dieses Königreichs vollkommen desorganisiert waren. Weder die Armee noch die Zivilverwaltung hatten noch Glauben an die Zukunft ihres Staats. Der Hof, von Familienzwistigkeiten zerrissen, mit einem halbblödsinnigen, nur pfäffisch erzogenen König an der Spitze, war ein Abbild der allgemeinen Auflösung. Zwischen Regierung und Regierten bestand nicht nur ganz allgemein kein Vertrauen, sondern grimmiger Haß und Erbitterung. Unzählige Anfstandsversuche waren freilich bis dahin an ihrer eigenen