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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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2 Erstes Kapitel,

Noch mehr als die politische bildet die ökonomische Um-wälzung eine Wetterscheide, die zwei ganz verschieden aussehendeWelten von einander trennt. Keine Eisenbahn, kaum der Anfangeiner bescheidenen Dampfschiffahrt. In meinen ersten Erinnerungenspielt noch das Marktschiff, mit welchem Goethe von Frankfurt nach Mainz fuhr, eiue Rolle.

Wie die Bewegung stand die Organisation der Wirtschaftauf dem Bodeu alten Herkommens. Der Bürger der mitt-leren Städte hatte bei uns noch die Gewohnheit, seine Er-sparnisse in Grund und Boden anzulegen; von Papieren wußtennnr die Eingesessenen großer Handelsplätze. Dem Redakteur dereinzigen Zeitung, die damals in Mainz erschien, erzählte mannach, er habe aus einem französischen Blatt die Meldung, Issbons ösxg,ZlloIs 8<ziit tomlzös übersetzt: die guten Spanier sindgefallen. An schönen Feiertagen gingen wir Knaben mit denGroßeltern in die Weinberge, welche sie vor den Thoren derStadt besaßen, um zu sehen, wie alles fleißig wachse oder blühe.

Die politischen Eindrücke setzten sich zusammen aus denErzählungen der Revolutions- und Kriegszeit nnd aus der Gegen-wart der Garnisonstadt. Die französischen Soldaten der Vergan-genheit und die österreichischen uud preußischen desTages liesertenderKnabenphantasie ihre Hauptnahrung. Die älteren Leute erwähntenin ihren Geschichten auch noch oft dieKnrfürstenzeiten". Siegedachten ihrer ohne Sehnsucht, aber auch ohne Bitterkeit, uudfühlten sich ihnen immerhin noch näher als dem DarmstädterGroßherzog, dem man sie auf dem Wiener Kongreß zugeschlagen-hatte; warum? wußte niemand. Man nannte ihn den Zwiebel-sürsten, weil sein Stammland nur diese Pflanze erzeuge und sichvon dem Ertrage der rheinischen Provinz gütlich thue. Aucherzählten sie, wie er am Brückenkopf zn Kastei am Rhein stunden-lang zu Pferde, auf Napoleon wartend, gestanden habe, der ihnNonsisur äs Oarmstaät nannte. Eine Kompagnie seiner Soldaten,welche in der Festung lag und nur den Dienst der Bewachungdes Zuchthauses hatte, ward von uns Knaben mitleidig au-gesehen. Der sie befehligende Hauptmann hatte zwar die Feld-züge der großen Armee mitgemacht uud trug die Ehrenlegion,aber er hatte sich in seinem militärischen Stillleben ein behäbiges