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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Die Knabenjahre in Mainz .

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Schmerbäuchlein zugelegt, das alle martialischen Jdeenverbindungenbei Seite schob. Vom ehemaligen deutschen Reich und demKaiser war trotz der hohen Würden, die der Kurfürst um ihnbekleidet hatte, kaum die Rede. Noch sehr im Gebrauch war dieWendung:Habt Ihr deu Kaiser gesehen?" um auszudrücken,was eben geschehen, wird sich nicht wiederholen. Das Wort wareine lebendige Reminiscenz an die Worte, welche der GeneralCnstine im Jahre 1792 ans dem Römer an die Frankfurtergerichtet hatte, um ihnen zu verstehen zu geben, daß sie keinenKaiser mehr krönen würden.

Friedfertig ganz uud gar waren die religiösen Zustände.Das Gymnasium hatte zwar einen katholischen Charakter, abervon Reibungen zwischen den Schülern der verschiedenen Konsessionenwar nicht entfernt etwas zu spüren. Ein paar humane, gut-mütige Bischöfe, die einander folgten, hielten den Geist der Mildeverbreitet; die Pfarrer waren heitere, menschenfreundliche und um-gängliche Lebemänner, auch der protestantische, einer aus derSchule der humauitären Rationalisten. Selbst als viel späterder Deutschkatholizismus eiue kleine Gemeinde von Gebildetensammelte, gab es keine fanatische Aufregung. Wie oft habe ichim Gymnasium meiuen katholischen Mitschülern geholfen, nachSünden für ihren Beichtzettel zu suchen. Denn je mehr man Sündendarauf hatte, desto stolzer war man. Noch klingt es mir in denOhren:Du Bamberger, weißt Dn mir nit noch a Sünd?"

Ich marschierte andächtig mit den andern in Reih undGlied hinter dem Sarg eines Bischofs her, den wir im Domebeisetzten, und wenn einer meiner Freunde bei der Fronleichnams-prozession die Fahne trug und am Nachmittag noch mit Feder-hut, Schärpe und Degen einhergehen durfte, wandelte ich stolzmit an seiner Seite. In den ersten zwanzig Jahren meinesLebens hatte ich nie einen lebendigen Mönch gesehen. Ich kanntedie Erscheinung nur aus einem hölzerneu, der in einem altenKlosterhof, der alsBleichgarten" diente, stehen geblieben war.

Während die Alten uns viel von den Kriegs- und einigesvon den Knrfürsten-Zeiten erzählten, hörten wir aus ihrenGesprächen nichts über die Freiheitskriege. Die Rückkehr vonRußland, die Schlacht bei Hanau , die furchtbare Kriegspest, die

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