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Drittes Kapitel.
Zitz war ein echtes Mainzer Kind, aber in der besten Be-deutung des Wortes; auf dem Grund des lebhaften und lebens-lustigen Temperamentes saß ein tüchtiger, braver und starkerCharakter. Er trug später die Folgen seiner schmerzlichen Schicksals-wendung mit einem wahrhaft wunderbaren Gleichmut. Er warder glänzendste und meistbeschäftigte unter den Mainzer Advokaten,damals in der Fülle jugendlicher Manneskraft. Eine herkulischeGestalt, hoch von Wuchs und breit von Schultern, die eine etwasnach oben gezogen wie vom Tragen der Akten. Damals warnämlich bei nns die weiche Ledermappe (Ssrvistts) noch nicht be-kannt. Der Anwalt trug seine Akten mit einem Gnrt zusammen-geschnallt in eigener Person zum Tribunal und von da zurück,und wenig Beschäftigte nahmen wohl auch eine Anzahl über-flüssiger Faszikel (Dossiers) mit in die Sitzung, um nicht einegar zu erbärmliche Figur zu machen. Auch der Kopf war beiZitz von riesigen Dimensionen, von einem röthlichblonden Backen-bart (Hambacher) umrahmt; das übrige rasirt; das hellblaue Augeblickte heiter und klng in die Welt mit einem schelmischen Aus-druck von Zweifel, der, auch um die Lippen spielend, wie eineWarnungstafel vor Ueberlistungsversuchen wirkte. Trotz einzelnerDifformitäten war Zitz ein schöner Mann uud ein nichts wenigerals erfolgloser Anbeter des schönen Geschlechts. Ein eigenthüm-liches Verhängnis hatte ihn zum Junggesellen und zum Ehemannzugleich gestempelt. Eine Mainzer Schriftstellerin, Kathinka Halein ,hatte sich sterblich in ihn verliebt, und ob er ihr nun Beweise derGegenseitigkeit gegeben oder nicht, eines Abends wurde er in allerEile zu ihr beschicken, wo der anwesende Arzt ihm erklärte, siesei infolge von Vergiftung am Sterben aus Verzweiflung, daßer sie nicht heiraten wolle und verweigere hartnäckig, Gegengift zunehmen. Zitz ließ sich rühren und erweichen und versprach dieEhe, worauf Kathiuka zugab, gerettet zu werden. Sklave seinesWortes ging er die Ehe mit ihr ein. Aber nach der Trauungverabschiedete er sich von ihr und machte die Hochzeitsreise miteiuem Freund. Die Frau sah er nie wieder. Sie nannte sichvon da an Kathinka Zitz -Halein5 und hat jahrzehntelang dieFeuilleton-Litteratur mit zahllosen Novellen und Nomaneu ver-sehen. Ihre Schwärmerei für den Treuen wider Willen hielt, trotz-