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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Journalist und Volksredner.

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kameradschaftliches Verhältnis unter uns. Gleich nach den erstenTagen hatte ich übrigens ein komisches Erlebnis mit ihm. Mirwar an verschiedenen öffentlichen Sammelplätzen eine weiblicheErscheinung von sonderbarem Zuschnitt aufgefallen, sehr jung,hellblond, kurz geschornes Haar, auffallend mager und einfachgekleidet, mit eiuem scharf geschnittenen Gesicht, weder hübschnoch häßlich, doch sehr unabhängig in die Welt hinaussehend.Nach mehrfach, doch immer nur aus einiger Distanz angestellterBeobachtung, kam mein Scharfsinn auf die Vermutung, daß einStudent sich den Spaß mache, als Mägdlein verkleidet umher-zugehen. Ich sprach von meiner Vermutung mit Fröbel, alsplötzlich auf der Galerie des Saales, in dem wir uns befanden,meine interessante Gestalt wieder auftauchte.Sehen Sie, daist er" rnf ich hinzeigend Fröbeln zu.Ach, das ist ja meineFrau" war die Antwort. Eine schöne Bescherung, die übrigensunsere Freundschaft nicht störte. Der Frau, einer Züricherin,kam ich niemals nahe. Sie spielte damals in Fröbels Lebenkeine bedeutende Rolle nnv starb uach einigen Jahren. In Amerika heiratete er bekanntlich eine bayrische Gräfin Armansperg, dieWittwe eines badischen Flüchtlings, Florian Mördes , mit der erspäter nach Enropa zurückkehrte. Es war ein anregender Verkehrfür mich; er hatte bereits eine Vergangenheit als Schriftsteller,Buchhändler und einigermaßen auch als Politiker hiuter sich, daer in Zürich , wo er als Buchhändler sich niedergelassen, sowohlmit den schweizerischen als mit den deutschen treibenden Geisternin Verbindung gestanden. Von Hause aus der Naturwissenschaftergeben, hatte er seinen Sinn vorzugsweise auf Geographie undEthnologie gerichtet. Er war in der Politik Republikaner, aberkein Formalist, vielmehr ein beweglicher Geist, der mit Leichtig-keit umfassende Pläne entwarf, Zukunftsgestaltungen konstruierteund bei einer sehr elastischen, reichen Phantasie prädestiniert war,in seinem künftigen Lebensgang noch mancherlei Wandlungendurchzumachen. Auch als diese gauz in Widerspruch zu seinerVergangenheit waren und zur direkten Anfeindung gegen michausarteten, habe ich ihm nie ernstlich böse sein können, weil ichihn als von der Natur zu solchen Wechselbildungen geschaffen,ansah und wußte, wie leicht er sich guten Gewissens in sie hinein-