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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Journalist und VolkSredner.

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äußersten Linken nnd den übrigen Parteien gekommen, daß jenebeschloß, den Saal der Panlskirche zu verlassen. Als Reporterblieb ich zurück, um nach Schlnß der Sitzung den Abgetretenenzu berichten.

In dem Gasthof, wo die Gesellschaft zu Tisch saß, bestieg icheinen Stuhl. Ich erinnere mich, daß ich vor Aufregung amganzen Körper bebte, während ich sprach. Gleiches begegnete mirnicht mehr. Ich glaube sogar, daß ich gerade in der nächstenFolgezeit, in diesem bewegten Jahr, mit mehr Unbefangenheit ansReden ging, als jemals später.

Ueber die Kaltblütigkeit beim öffentlichen Auftreten ließe sichviel fagen. Ich will hier nur soviel einschalten, daß meines Tr-achtens, d. h. meiner Beobachtung an mir und an andern zu-folge, wohl schwerlich ein Mensch sich rühmen kann, von jederNervenerregung frei zu bleiben, nicht sowohl während er öffentlichspricht, als unmittelbar vorher. Und ich glaube sogar, daß, jemehr und je inhaltreicheres einer zu sagen hat, desto mehr ist erjener Erregung ausgesetzt. Gewohnheitsredner, welche so oft alsmöglich das Wort ergreifen, bewegen sich meistens in Gemein-plätzen, und es stießt ihnen natürlich leicht und ruhig von derZunge herunter. Wo aber das Reden mit intensiver Gedanken-arbeit verbunden ist, wo das Gehirn in erhöhte Thätigkeit ver-setzt wird, nnd zwar, wo, wie in den meisten Fällen, auch eineEmpfindung mitspricht, also auch das Herz in rascheren Gangkommt, wird beinahe immer ein körperlicher Zustand eintreten,der sich nnd zwar in nicht wohlthätiger Weise vom normalenunterscheidet. Wenn man nach der Art, wie es neuerdings beigewissen Zeitungsredaktionen Mode geworden ist, einen Frage-bogen an die bekannten Redner verschiedener Länder herumgehenließe, um von ihnen auf Grund ihrer an sich gemachten Er-fahrungen Geständnisse zu erzielen, würden wohl die ehrlichenalle dies zugeben. Es giebt ja verschiedene Grade und Haltungenaus diesem vielgestaltigen Gebiete. Ein anderes ist, ob man miteiner vorbereiteten Rede ans dem Platz erscheint, oder erst, durchdie Gelegenheit herausgefordert, während andere sprechen, seineGedanken znrecht legt, Im einen wie im andern Fall bleibt man