Journalist und Volksredner.
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bekleidete und der Nationalversammlung verantwortliche provisorischeRegierung von fünf Mitgliedern."
Unter den Unterzeichnern dieses Antrages befanden sichmehrere auch in späteren Zeiten noch von Bedeutung gebliebeneNamen, wie der Schlesier Schlöffet, der am badischen Aufstandeinen hervorragenden Anteil nahm (sein Sohn fiel auf demSchlachtfeld). Die Oesterreicher Kolaczek und Berger, letztererFinanzminister im Bürgerministerium nach 1866, ersterer imJahr 1849 Heransgeber einer deutschen Monatsschrift in derSchweiz und später mit Fröbel verbunden; Vorkämpfer derHabsburgischen Partei im italienischen Krieg von 1853; fernerZimmermann ans Stnttgart, der Verfasser der Geschichte desBauernkriegs, und endlich Arnold Rüge.
Zitz war der erste Redner für den Antrag; Rüge der zweitein Replik auf Herrn von Radowitz. Seine Rede war eineMischung von Provokationen und philosophischen Abstraktionen.Er hatte eine Art, kaltblütig und naiv, vom olympischen Bewußt-sein der Hegelschen Spekulation herab seine Gegner mit unaus-sprechlicher Geringschätzung zu behandeln, die ihn fortwährendmit dem Präsidium und den einzelnen Mitgliedern in Konfliktbrachte. Das geschah z. B., als er mit Anspielung auf denFreiherrn von Vincke und v. Radowitz hinwarf: „Wir werdenes nicht dulden, daß jetzt ein Landjunker aus Westfalen oderans Schlesien kommt und in seinen Rodomontaden die Republik lächerlich macht." Zum Schluß sagte er:
„Man schlägt uns ein nnverantwortliches Oberhaupt vor. WähreUuverautwortlichkeit giebt es bei keinem Volke. Verantwortlich zu seinfür seine Handlungen, ist das höchste Recht des Menschen; derkonstitutionelle König büßt das erste Menschenrecht ein. Die Un-verantwortlichkeit des Monarchen ist die Verantwortlichkeit Karls I . . . .Volkssouveränität ist Selbstbestimmung des Volkes, Selbstbestimmungist Initiative. Ich komme^zu Ende und hoffe, Sie werden sich dieSache zu Herzen nehmen. Wenn ich bitter war (der Präsident hatteihn gemahnt, alle Bitterkeiten, einem Ausspruch des Herru v. Radowitzentsprechend, zu vermeiden), so war es die Liebe zur Nation, die michbitter gemacht hat. Man kann eine Politik aufgeben, aber nicht einPrinzip. Das Prinzip des Menschen ist seine Seele, nnd wer seineSeele aufgiebt, der giebt sich verloren. Wir werden gegen jede Ab-stimmung, welche die Volkssouveränität anfgiebt, protestieren."