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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Journalist und Volksredner,

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Nachdem ich aber so gezeigt zu haben glaube, daß Grundbedingungfür das Gedeihen des allgemein menschlichen Strebens die volle Be-teiligung der Gesamtheit sei, wird es mir auch erlaubt sein, einenNebenblick zn werfen auf die fruchtbare Eigentümlichkeit, welche geradeder Charakter des Weibes iu diese Gemeinschaft einbringt. Es ist einepsychologische Thatsache, daß die Fran das einmal erfaßte Ideal mitüberlegener Gewalt festhält und verfolgt, daß sie das Gnte viel mehrfür erreichbar hält, als der Mann, und dadurch eines höheren undstärkeren Schwunges fähig ist. Es verbindet die Frau mit der Heftig-keit des Glaubens und Strebeus die Milde des Charakters, und es istendlich Zeit, daß die Beschränktheit des Hasses aus der Partei desVolkes wenigstens verschwinde. Die demokratische Bewegung mnß allediejenigen Attribute annehmen, welche sie dereinst als Siegerin zumGesetz erheben will, AnS dem Gesetze der Demokratie aber wird dereinstdie unvernünftige Intoleranz verschwinden, mit welcher der Staat derunfehlbaren Autorität und des legitimen Privilegiunis zur Einschüchterungnnd Betäubung der Beherrschten sich umgeben mußte. Unsere jetzigenStrafgesetze sind ja nichts als Evangelien des bornierten Hasses undder bornierten Anmaßung der privilegirteu Klassen. Dem unbefangenenBetrachter der menschlichen Natnr und der weltlichen Dinge können sienicht anders erscheinen, denn als kolossale Albernheiten oder kolossaleSchändlichkeiten, Wann wird man endlich aufhören, das Übel zuhassen, da man doch nichts wollen sollte, als es zu beseitigen?Wauu wird man einsehen, daß das Übel, welches das einzelne In-dividuum stiftet, uur eine Folge der Übel ist, welche in den Znstände»der Gesamtheit liegen, oder gar uur eine Folge der menschlichen Natur?Wann wird man endlich aufhören, den menschlichen Übeltäter mehr zuhassen, als den Blitz, welcher in ein Hans einschlägt? Dann wohl,wenn einmal die ganze menschliche Gesellschaft nicht mehr auf denGrundlagen des Aberglaubens und des Vorurteils erbaut seiu wird,sondern auf denen der Vernunft in dem demokratischen Staate.Darum aber müssen die Parteigänger der Vernunft selbst währendsie die ganze Energie ihres Lebens, ja die Gewalt der Leidenschaft aufEntfernung des Übels und des Unsinnes richten deu beschränktenHaß gegen die Ubelstifter und Unsinnigen aufgeben. Und man muß esden Demvkraten zu ihrer Ehre nachsagen, daß sie bereits, sie, die Unter-drückten und Gekreuzigten, ihre Sache mit einem bedeutenden Maße vonFreudigkeit uud gutem Hnmor betreiben, während ihre Gegner, dieHerrschenden, uichts atmen als Ingrimm uud Schrecken. Das Bilddes Greuels und der Wildheit, unter dem wir abgemalt werden, dasStichwort derAnarchie", in dem die Gegner alles Schauderhafte ihrerkindischen Phantasie zusammenfassen, ist nicht das Abbild unseres, sondernbloß der Reflex ihres eigenen Wesens. Die Demokratie ist mild nnd