Journalist und Volksredner.
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greifenden Schicksalsbildern nach zwei Jahrzehnten den Mann wiederzu sehen, mit dem ich zweimal in so heftiger Fehde gelegen hatteum die Sache, die dann ihren größten Triumph feierte, auch überihn. Er sah gedrückt aus, und das war ihm nicht zu verdenken.Ob nun die Größe der Zeiten oder meine eigne Empfindungsartdas meiste dazuthat, ich suhlte nichts von dem Gennß an derDemütigung eines erbitterten Feindes, welcher iu der Poesie dermenschlichen Affekte einen breiten Platz einnimmt.
So heftig auch noch in spätere Jahre hinein das Feuer derPolemik in Rede und Schrift bei mir auflodern konnte, einenpersönlichen Haß, dessen Ingrimm bei der Niederlage oder dessenWonne beim Sieg über einen Feind habe ich nie an mir erprobt.Ich hatte mich von lange her auf dem Weg des Nachdenkens zusehr darauf dressiert, in dem Individuum keine Lsuss, sui zu er-blicken, und diese Gewohnheit schadete mir nicht selten, weil sie michhinderte, mich wahrhaft zu erbosen. Mehr als einmal habe ichmir, nach einem ausgesochtenen Strauß, hinterher vorgeworfen,daß ich zn leicht, zu wenig empfindlich und darum zu wenigaggressiv gewesen sei. Die Gereiztheit kann allerdings zu Ver-irruugen führen, die man hinterher bereut, aber sie hat auch eineproduktive Kraft, die zu deu richtigen Vorstößen inspiriert. Ichwar nicht immer der Meinung, die ich oft über mich äußern hörte,daß ich mich genugsam zu wehren verstünde. Aus dieser Unzu-länglichkeit wußte ich uur einmal Vorteil zu ziehen, als ich ineinem Wortkamps mit Bismarck im Reichstag anfangs der achtzigerJahre in meine Replik die Bemerkung einflocht, ich wüßte wohl,daß mir das nötige Talent der Grobheit fehle. Das war so einkleiner Fechterstreich, für den er Sinn hatte. Diese Wendung gabihm eine versöhnende Antwort ein.
Nach jener Begegnung in Versailles habe ich Dalwigk nichtmehr wiedergesehen. Sein Stern war nah am Untergehen. Erhatte nicht die leidenschaftlose Schmiegsamkeit des württembergischenVarnbüler, der zwar ein ebenso verbissener Gegner Preußensgewesen, aber sich schon bald nach den ersten deutschen Siegenseine Haltung über den neuen Leisten deutscher Einigung geschlagenhatte.