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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Journalist und Volksredner.

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deren ich mich erinnern kann. Wenn man dann nnd wann ansdem Getümmel und der Hetze des politischen Treibens in die Stilleund Herrlichkeit von Feld und Wald entfloh, ergriff einen derGegensatz mit Wonne nnd Wehmut zugleich. Einige Wanderungen,die ich in Fröbels Gesellschaft im lieblichen Tannus bei paradie-sischer Witterung machte, gehören zu meinen angenehmsten Er-innerungen. So verschieden wir auch angelegt waren, in vielemstimmten wir doch wieder überein, so in dem gleichzeitigen Neben-einander des Sinnes für fröhlichen Kamps und wieder auch fürstille Beschaulichkeit und in der Gedankenrichtuug von der Verwirrungdes Momentes zu der Betrachtung des Allgemeineren und Höheren,über dem Kampf der Parteien Schwebenden. Wir waren beideüberzeugte Radikale, aber keine Fanatiker.

Das schöne Wetter trug auch das Seinige bei zur Förderungdes politischen Lebens, namentlich in den ländlichen Kreisen.Volksversammlungen und Bewegung von Ort zu Ort gediehen imSonnenschein. Mein Geschmack am Landleben mischte sich meinempolitischen Aktionsdrang heimlich bei, nnd fand mich immer bereitzu einem Ansflng ins Grüne. Es traf sich besonders gnt, daßdie tüchtigsten unserer liberalen Führer und Masseu die herrlicheGegeud bewohnten, welche sich von Jngelheim am Rhein westwärtsansdehnt. In der sanftgewellten Ebene ziehen sich reiche Fleckenund Dörfer, abwechselnd mit Reben und Getreide bepflanzt, dahin;fröhliche und doch gediegeue Meuscheu iu ihrer Art, ernster als dieStädter des Rheinlandes, strömten überall zu, wo etwas öffentlichverhandelt ward. Dabei war es interessant, zn beobachten, wiedas Regiment seinen Einslnß aus die Denkart der Menschen zu-rückgelassen, und wie das den deutschen Fürsten zuerkannte oujusrszio i-öliZio seine Frucht getragen hatte.

Bis zur französischen Okkupation standen die ländlichen Ge-meinden nach Zufall und Erbgang hier zu Kurmainz , dort zuKurpfalz im Unterthanenverband. Die kurmainzifchen Ortschaftensind in der Mehrzahl von Katholiken, die kurpfälzischen von Prote-stanten bevölkert. So scharf wie heute waren im Jahre 1848 dieUnterschiede der politischen Überzeugung zwischen den beiden Kon-fessionen lange nicht. Die katholischen Orte waren ebensogutdemokratisch wie die protestantischen, und bis auf den heutigen Tag