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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Drittes Kapitel.

Am Abend waren Saal und Galerie vollgepfropft. DerBericht spricht, wohl mit der herkömmlichen Überschätzung, vonviertausend Köpfen. Wände und Tribüne waren schwarz aus-geschlagen, die Dameu auf den vorderen Bänken in Trauer-kleidung. Die Feier selbst bestand einzig in meiner Rede. Sieliegt jetzt noch in einem etwas mürben und vergilbten Exemplarvor mir. Denn nicht bloß in der Zeitung ward sie veröffentlicht,sondern auch in zwei besonderen Ausgaben, die eine in Mainz ,die andere in der Nähe von Frankfurt gedruckt. Die mir vor-liegende giebt auch ein Bild Blums. Das Gesicht war wie vonder Natur zum Holzschnitt bestimmt; Zufall oder Absicht, erschaut auf dem Titelbild etwas wehmütig drein. So pathologischauch Form und Inhalt der Rede dem kühlen Leser heute er-scheinen mögen, sie waren doch der volle und nicht künstlich ge-steigerte Ausdruck dessen, was ich und mein Publikum in jenenTagen lebendig fühlten: grenzenloser Jammer und grenzenloserZorn. Hier nur die Einleitung:

Oftmals, Mitbürger, habe ich von dieser Stelle zu Ihnen gesprochen,mich gefreut, Ihren Gedanken Form, Ihren Gefühlen Worte zn geben;oftnials war es mir eine große Genugthuung, aus Ihrem Beifall zueutnehmeu, daß ich die rechte Saite in Ihrem Innern angeschlagenhatte. Heute wird mir zur bittereu Pein, was sonst meine Lust, heutegereicht mir zur tieseu Demütigung, was sonst mein Stolz war. Nichtetwa um deswillen allein, ^weil .die Sprache des Volkes unzureichendist, die Verbrechen der Großen zu schildern, und weil ich mich arm auWorten, einen Stammler, fühle gegenüber der kolossalen Unthat unddem kolossalen Schmerze, der die Herzen erschüttert; sondern um des-willen vorzüglich, weil ich die ganze niederdrückende Wucht des Gegen-satzes empfinde, der darin liegt, daß, während dort ein Großer derNation, ein edler Märtyrer, mit dem Höchsten und Teuersten bezahlt,sein kostbares Blut für uns versplißt, wir hier stehen, mir für ihnreden nnd hören, daß, während er sein Leben hingab für die großeSache des Volkes, ich hier stehe und nichts herzugeben habe, alsWorte, Worte, wie sie hundertmal gemacht werden, wie sie noch hundert-mal verklingen werden."

Im Anschluß daran verbreitet sich der erste Teil der Redebesonders über das, was wir als das Grausamste an dem Vor-gang empfanden, den Gegensatz zwischen dem Ideal, das uns derGeopferte versinnlichte, und seinen Henkern; die österreichische